Vorwort.

[3] Wie der große Benvenuto Cellini hat Meister Karl Blaas in seinem acht und fünfzigsten Lebensjahre angefangen, die Geschichte seines Lebens niederzuschreiben, und zwar wie er selbst sagt, nur für seine Kinder und Freunde und sich selbst zur vergnüglichen Erinnerung. Als er mir im vergangenen Jahre die Handschrift zur Lesung anvertraute, war ich überrascht von dem Wechsel der Erlebnisse wie von der Schönheit und inneren Wahrheit der Darstellung, und zu Ostern 1876 machte ich ihm den Antrag, die Selbstbiographie, wie sie ist, herauszugeben. Er willigte ein, schrieb noch das letzte Capitel bis 1876, unser liebenswürdiger Freund Moriz Gerold übernahm den Verlag und so ist das vorliegende Buch entstanden. Mein Antheil daran ist ein geringer, denn ich habe nur einige Kürzungen und Veränderungen in der Satzstellung vorgenommen; die Handschrift[3] ist deswegen ihrem Wesen und Inhalt nach unverändert zum Druck gekommen.

Einer Rechtfertigung der Herausgabe dieser Lebensbeschreibung bedarf es wohl nicht. Wir besitzen in unserer Literatur eine Reihe vortrefflicher Lebensbilder von Künstlern, aber wenig Selbstbiographien. Von Malern aus Oesterreich sind mir nur das kurze Reisetagebuch des Joseph Anton Koch, aus dem E. Förster und C. von Lützow das Beste mitgetheilt haben, und die Selbstbiographie Joseph Führich's (1800–1842) bekannt. Blaas ist ein jüngerer Zeitgenosse Führich's, aber in allem und jedem von ihm verschieden. Die Worte Reber's (in der Geschichte der neueren Kunst), daß Blaas »vorwiegend dem religiösen Fache« huldigte, bedürfen jedenfalls einer Erweiterung. Blaas ist Historienmaler und das in kirchlicher und weltlicher Richtung, zugleich Porträt- und Genremaler. Ich will hier keine Kritik seiner Werke beifügen, aber das ist allgemein anerkannt, daß er auf jeder Stufe seines Lebens Tüchtiges geleistet hat und seinen Bildern ein maßvoller Schönheitssinn, eine gesunde Kraft und eine gewisse kernige Originalität innewohnt. Seine Selbstbiographie bietet uns nun einen Einblick in sein Werden und Schaffen. Die ersten Capitel erzählen die Lehr- und Wanderjahre. Die Freunde und das Publicum werden mit Befriedigung lesen, wie sich Blaas aus drückenden Verhältnissen emporgerungen, wie sich sein[4] Talent durch alle Hemmnisse Bahn gebrochen hat und wie ehrlich er bemüht war, das Leben und die Kunst zu versöhnen. Wie so viele betrat er als Nazarener den geheiligten Boden Rom's und blieb dieser Richtung lange getreu, aber sein Wesen widerstand der ascetischen Kunst und von dem Schönheitssinn der Cinquecentisten angehaucht wandte er sich wieder dem gesunden Realismus zu. Von 1833 bis 1851 lebte Blaas in Italien. Hier hat er studirt, seine ersten Werke geschaffen, geheiratet und wahrhaft glücklich gelebt. Wer jedoch seine Aufzeichnungen liest, wird nicht verkennen, daß sein bildnerisches Talent, sein fröhlicher Sinn, sein getreues Festhalten, Blutstropfen aus den Adern unseres Volkes sind, und daß er seinem Volke und Stamme getreu geblieben ist. Im Jahre 1851 wurde er Professor an der Akademie in Wien, 1856 in Venedig, 1866 übersiedelte er abermals nach Wien und lebt noch unter uns als Künstler und Lehrer gleich hoch geachtet. Seine Selbstbiographie ist seine Bildungsgeschichte, aber die individuellen Züge und Erlebnisse führen zugleich in die Hallen der Kunst und auf den Schauplatz des öffentlichen Lebens. Diese Geschichte bietet deswegen nicht nur einen Sporn für jedes mannhafte hochsinnige Streben, sondern ebenso einen reichen Gewinn für die allgemeine Erkenntniß. »Welch' ein Geschenk für die Menschheit ist ein edler Mensch«, schrieb einmal Göthe an die Frau von Stein.[5]

Mit diesem Spruche flieg aus, mein liebes Buch, gewähre wie mir allen Lesern Freude und Genuß und gib Zeugniß, daß in unserem Volke gesunde Keime verborgen liegen, die wenn sie an Licht und Sonne kommen, zu kräftigen fruchttragenden Bäumen emporwachsen.


Graz, im Juni 1876.

Ad. W.[6]

Quelle:
Blaas, Karl: Selbstbiographie des Malers Karl Blaas 1815–1876. Wien 1876.
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