X. Lehren und Schaffen, 1851–1876.

[224] Im August 1851 reiste ich mit meiner Familie nach Wien. Wir gingen von Civitavecchia zu Schiff nach Livorno, machten einen Ausflug nach Florenz und fuhren von Pisa nach Spezzia, um dort mit Doctor Millingen einige Tage zu verleben. Derselbe Vetturin führte uns nach Modena, wo mich die Werke des Correggio und insbesondere der Kopf der h. Katharina in der Vermählung mit dem Christuskinde entzückten. Von Mantua fuhren wir schon mit der Eisenbahn nach Venedig. Hier besuchte ich einige Jugendfreunde und meinen Lehrer, Professor Lipparini, und fuhr dann über Triest und Laibach nach Wien. Einige Wochen wohnten wir im Hôtel, bis dann meine Frau mit vieler Mühe eine angenehme Wohnung fand und einrichtete.

Nachdem ich Sr. Majestät in einer Audienz meinen Dank für die Ernennung zum Professor ausgesprochen hatte, führte mich der Kunstreferent Graf Franz Thun in die Akademie und stellte mich dem Collegium vor. Leider wurde Karl Rahl, welcher ein Jahr hindurch meine Stelle versehen hatte, entlassen, ohne daß ihm ein Grund eröffnet[224] wurde; und seltsamer Weise wurde diese Entlassung in wahrhaft gehässiger Weise mir zur Last gelegt. Vielleicht erschien Rahl sowie der Bildhauer Hans Gasser zu liberal. Ich hielt die Entlassung dieser zwei ausgezeichneten Kräfte für einen Mißgriff und sprach es auch mehrmals aus. Die Akademie leitete damals der Architekt Prof. Rösner. Christian Ruben, einer der ältesten Schüler des Cornelius, der als Director der Wiener Akademie berufen wurde, trat seine Stelle erst einige Monate später an. Führich und Kupelwieser hatten Meisterschulen; ich und Karl Mayer, der ebenfalls aus Rom berufen wurde, leiteten die Vorbereitungsschule, oder wie sie jetzt heißt, die allgemeine Malerschule. Wir beide wurden gleichzeitig am 10. Jänner 1852 beeidet. Rösner, Führich und Kupelwieser waren Anhänger der streng religiösen Kunst und wirkten überall dem aufstrebenden Realismus entgegen. Die Genremalerei wurde von ihnen gänzlich verdammt. Wegen meiner Kirchenbilder hielten sie mich im Anbeginn für einen unbedingten Anhänger, wurden aber bald stutzig, als ich mich nicht in den Severinus-Verein aufnehmen ließ und meine eigenen Wege ging. Ueber die Parteien in der Wiener Künstlerwelt, ihre Zerwürfnisse und Feindseligkeiten will ich nichts aufzeichnen. Nach meiner Ansicht waren sie Alle zu wenig tolerant und haben sich gegenseitig geschadet. Waldmüller sprach sich in einer Schrift heftig gegen die Frommen aus, hatte viel zu kämpfen und gründete eine Privatschule, welche der neuen realistischen Kunst in Wien Bahn gebrochen hat. Ebenso gründete Rahl ein Privatatelier, und diese Schulen standen wieder der Akademie sich völlig bekämpfend gegenüber. Glücklicherweise hatten ich und Karl Mayer gleiche Ansichten[225] über die Kunst und den Unterricht, so daß wir in voller Harmonie für die Schule wirken konnten. Ruben war mit uns ganz zufrieden und ließ uns volle Freiheit im Unterricht. In der Vorbereitungsschule waren oft 100 Schüler, auch hatte Ruben für seine Meisterschule mehrere der begabtesten Schüler aus Prag mitgebracht. Meine am meisten hervorragenden Schüler waren: Leopold Müller, der seine ersten Studien in meinem Atelier begonnen hat, Sigmund l'Allemand, Huber, Rieser, Horowitz, Grotger u.a. Da Mayer und ich jede Woche in der Schule abwechselten, so konnte ich jede zweite Woche für meine Arbeiten und Studien benützen, und ich kam in eine Thätigkeit hinein, welche die Höhe meines Lebens und meiner Kunst bezeichnet.

Auch an Erholung fehlte es nicht. So erhielt ich noch im Spätherbst 1851, als ich kaum die Professur übernommen hatte, von I. k. Hoheit der Frau Erzherzogin Sophie den Auftrag, einige lebende Bilder, welche zu Ehren zweier russischer Großfürsten aufgeführt wurden, zu ordnen. Die hohe Frau hatte selbst fünf Bilder gewählt, und zwei davon, »Decamerone« von Winterhalter und das Genrebild »Ave Maria« von Ruben hielt ich für die besten und geeignetsten. Zu dem Decamerone wurden sieben der schönsten Damen und drei Herren der Wiener Aristokratie auserwählt. Aber ich hatte alle Noth, sie bei der Generalprobe, als sich schon der Rittersaal mit den hohen und höchsten Herrschaften füllte, zusammenzuhalten, bis die Frau Erzherzogin selbst hinter den Vorhang kam und ihnen scherzend befahl mir zu folgen. Schon die erste Vorstellung wurde mit großem Beifall aufgenommen. Und noch mehr die zweite, nachdem ich in der Ordnung und Beleuchtung der Gruppe[226] manches geändert hatte. Das zweite Bild brachte nur zwei Figuren in Bauerntracht und einen Mönch in einem Schifflein auf dem See. Im Hintergrunde sah man das Kloster auf einer Insel, der Mond war aufgestiegen, die Gruppe war von kaltem Licht beleuchtet, und am Horizont ruhte noch die rothe Abenddämmerung, so daß drei verschiedene Beleuchtungen stattfanden, was mir keine geringe Schwierigkeit bereitet hatte. Das Bild machte fast noch mehr Effect und mußte mehrmals wiederholt werden. Obwohl die anderen Bilder nicht so günstig ausfielen, waren alle Theilnehmer und Zuschauer auf's Höchste erfreut, und es war auch in der That ein schönes Fest. Zu Ehren der Großfürsten wurden noch Maskenzüge und Lustspiele aufgeführt. Die Frau Erzherzogin bestellte bei mir ein Album, welches dieses Fest in Aquarellbildern darstellen sollte und für die Kaiserin von Rußland bestimmt war. Ich übergab die Hälfte der Arbeit an andere Künstler, so an Karl Mayer, Prof. Geiger, Haselwandler und den Franzosen Valerio. Die Bilder wurden dann auch als erster Farbendruck von Müller vervielfältigt, aber nur an die theilnehmenden Personen vertheilt. Ich selbst erhielt ein kaiserliches Geschenk.

In Wien lebte damals die Gräfin Colloredo, geborne Potocka, eine Dame, die ich von Rom aus kannte, und die mir auch in Wien eine freundliche Gönnerin wurde. Bei meinem ersten Besuche fragte sie mich, ob ich hier schon Aufträge und Beschäftigung gefunden habe, und als ich dies verneinte, fuhr sie fort: »Nun gut, Sie werden gleich mit meinem Porträt beginnen; gelingt es gut, so werden Sie alle hohen schönen Damen Wien's malen müssen.« Und so geschah es; ich wurde durch mehrere Jahre der beliebteste[227] Porträtmaler in Wien. Ich malte sogleich die zwei schönsten jungen Damen der Wiener Gesellschaft, die Gräfin Julie Hunyady, später Fürstin Milos Obrenovich, und die junge Fürstin Franz Liechtenstein, geborne Gräfin Potocka. Die zwei Bilder in lebensgroßen Halbfiguren machten Aufsehen, und mein Glück war im Zuge. Ich kann nicht alle Porträte verzeichnen, aber das erinnere ich mich, daß ich aus den Familien Liechtenstein, Schwarzenberg, Auersperg, aus mehreren polnischen und ungarischen Familien und die Porträte des Erzherzogs Rainer, sowie seiner Gemahlin, der Frau Erzherzogin Marie, gemalt habe. Mein Atelier in der Annagasse war jeden Donnerstag von 1–4 Uhr, welche ich als Sprechstunden angesagt hatte, voll von besuchenden Herren und Frauen, und jedesmal erhielt ich neue Aufträge. In der Zwischenzeit malte ich zwei kleine Genrebilder, von denen eines Baron Treves in Venedig und das andere Fürst Vincenz Auersperg erworben haben. Ferner für die Erzherzogin Sophie eine Madonna mit dem Kinde, für den Fürsten Dietrichstein ein Altarbild in seine Gruftkirche in Nikolsburg und zwei Bilder in fast lebensgroßen Figuren für die Fürstin Mathilde Schwarzenberg: »Die h. Familie« und »Christus am Oelberg«; weiter zwei große Porträte in ganzen Figuren, nämlich das des Cardinal-Primas von Ungarn Scitovsky und des achtzigjährigen Grafen Zichy und mehrere Damen-Porträte.

Aber das beständige Damenmalen ermüdete mich; es kam mir wie eine tägliche süßliche Speise vor, ich hatte Besseres gelernt und erstrebte Höheres; deswegen benützte ich die erste Gelegenheit davon loszukommen. Der Graf Stephan Karoly kam zu mir, und als er die zwei Bilder[228] für die Fürstin Schwarzenberg erblickte, blieb er lange davor in Gedanken vertieft stehen und sagte dann: »Blaas, Sie haben mich zu Thränen gerührt.« Das war für mich die schmeichelhafteste Anerkennung, und als er mir antrug, seine neue Kirche in Foth, wohin bereits meine drei Altarbilder gewandert waren, in Fresco auszumalen, war ich hoch erfreut, weil ich mich längst nach einer Frescomalerei gesehnt hatte. Ich berieth mich mit dem Grafen über ein Programm, und nachdem ich ihm die Compositionen nach Foth geschickt hatte, sendete er sogleich seinen Architekten nach Wien, um mit mir den Vertrag abzuschließen. Mit wahrer Begeisterung ging ich an die Arbeit, und sie hat mich zwei Jahre vollauf beschäftigt. In Wien machte ich Probestudien und zeichnete die Cartons, und in den Ferien malte ich in Foth. Die Gegenstände sind folgende: In der Apsis Christus als Salvator von den vier Evangelisten umgeben, in colossalen Figuren; unter diesen drei Scenen aus dem Leben der h. Jungfrau; in der Mitte über dem Hochaltare die Krönung Maria's, links der englische Gruß, rechts die Geburt Christi, neben diesen Bildern links Petrus, der von Christus den Schlüssel empfängt und rechts Pauli Bekehrung, alle in lebensgroßen Figuren. Im Schiffe malte ich die zwölf Apostel in halber Figur, im Chor drei Medaillons mit Engeln. Für die Tabernakelthürchen malte ich drei Bilder auf Eisenplatten: Christus mit dem Kelche und der Hostie und für die Seitenthürchen zwei Engel. Im Ganzen sind in dieser Kirche sechs Oelgemälde und 28 Fresken von meiner Hand und nach meinen eigenen Compositionen ausgeführt. Im Sommer nahm ich zwei Schüler, die ich im Frescomalen unterrichtet hatte, nach Foth um mir zu helfen,[229] aber nach acht Tagen erkannte ich, daß ich ihre Arbeit gar nicht brauchen konnte. Ich mußte sie entlassen und alles selbst arbeiten. Glücklicherweise hatte ich in Foth meine Frau und Kinder bei mir, Graf Karoly hatte es so gewollt und uns eine Wohnung in der Nähe der Kirche anweisen lassen.

Aber so ganz ohne Unfall ging auch dieser Aufenthalt in Ungarn nicht vorüber. Als ich eines Tages in der Kirche zwölf Klafter hoch oben auf einem Gerüste an den Evangelisten arbeitete, kam der Graf mit meiner Frau und meinem Knaben Eugen, der damals neun Jahre alt war, hinauf. Wir gingen auf dem Gerüste etwas zurück, um den colossalen Christus zu betrachten, als der Knabe auf ein freies Brett trat und in Gefahr kam hinabzustürzen. Zum Glück konnte ich ihn noch mit einem eisernen Griff packen und retten, aber die Spuren meiner Finger trug er noch lange an der Schulter. Ein anderer furchtbarer Schrecken machte meine Frau lange unwohl und zog noch andere schlimme Folgen nach sich. Nachdem ich im zweiten Sommer bereits nach Foth abgereist war, folgte mir meine Frau mit den Kindern auf dem Dampfschiffe nach. Da ein regnerischer Tag war, saßen sie ruhig in der Kajüte, als auf einmal das Schiff mit einem gewaltigen Krach stecken blieb und ein Kellner herein stürzte, der ausrief: »Wir sind Alle verloren!« Meine Frau wurde vor Angst und Schreck fast ohnmächtig und zog krampfhaft die drei Kinder an sich, um mit ihnen vereint zu sterben. Der Capitän kam jedoch in der nächsten Minute in die Kajüte und berichtete, daß das Schiff nur angefahren und durchaus keine Gefahr zu befürchten sei. Das Schiff wurde auch bald wieder flott[230] und kam glücklich in Pest an, wo ich meine Familie erwartete und in einem Wagen des Grafen nach Foth führte. Meine Frau fing von dieser Zeit an zu kränkeln, verlor ihre blühende Gesichtsfarbe und wurde nie wieder gesund. Ende September, als ich meine Fresken vollendet hatte, reiste ich wieder nach Wien zurück. Graf Karoly war sehr erfreut über das rasche Gelingen des ganzen Werkes und gab mir noch den Auftrag, die bereits erwähnten drei Tabernakelbilder und ein Bild für seine Galerie zu malen. Er wünschte dafür mein Bild »die h. Katharina von Engeln getragen«, das ich schon dreimal wiederholt hatte. Ich machte aber diesmal ein ganz anderes Bild daraus, indem ich den Moment wählte, wie die Engel mit der heiligen Bürde auf dem Berge Sinai angelangt und im Begriffe sind, sie in's Grab zu legen. Obwohl der kindlich naive Glauben meiner jungen Jahre längst erschüttert war, malte ich doch in jener Zeit viele religiöse Bilder, weil man es verlangte, und weil ich in diesem Fache nach meinen italienischen Studien, besonders Raphael's, sehr bewandert war.

In Wien war es mein besonderer Ehrgeiz Se. Majestät malen zu dürfen. Als nun der österreichische Gesandte in London, Graf Colloredo, ein großes Porträt des Kaisers bei mir bestellte, erwirkte mir die Frau Erzherzogin Sophie das Versprechen zweier Sitzungen des Kaisers. Durch zwei Morgen war ich um acht Uhr früh in Bereitschaft, um zu Hofe gerufen zu werden, als ein Schuldiener hereinstürzte und die entsetzliche Nachricht brachte, daß auf der Bastei ein Mordanfall versucht wurde und der Kaiser verwundet sei. Zum Segen Aller war er bald wieder hergestellt, aber mit meiner Aussicht auf ein gutes Porträt war es vorbei,[231] und ich mußte mich begnügen, die früheren Porträte von Einsle und Hayez dafür zu benützen. Photographien gab es damals noch nicht. Dafür war es mir vergönnt für den Votivaltar, welchen die vornehmen Damen zum Andenken an die glückliche Rettung des Kaisers in der Stephanskirche errichteten, ein Madonnenbild zu malen. In jener Zeit malte ich auch das Historienbild »Karl der Große in einer Knabenschule«, welches für die Belvedere-Galerie bestimmt wurde; ferner ein lebensgroßes Bildniß der Gräfin Lanckoronska mit ihrem blonden Söhnchen auf dem Schoße.

In dieser angestrengten Thätigkeit war ich nicht dazu gekommen meinen alten Vater noch einmal zu besuchen. Von Sommer zu Sommer hatte ich die Reise verschoben, bis ich die traurige Nachricht von seinem plötzlichen Tode erhielt. Er starb, von der Schwester Theresia bis zu seinem letzten Hauche wohl gepflegt, in Bozen am 18. März 1854 in seinem 82. Lebensjahre. Eine eigentliche Krankheit war nicht vorausgegangen, aber er fühlte den Tod. Wenige Minuten vor seinem Hinscheiden hatte er die Schwester Theresia zu sich gerufen und Abschied genommen. Seine letzten Worte waren: »Grüßt meinen braven Sohn Karl und dankt ihm für mich.« Ich war von dem Briefe, den mir der Schwager schrieb, tief erschüttert und weinte bitterlich. Wie oft machte ich mir Vorwürfe, daß ich ihm nicht meine Frau und die blühenden Enkel zugeführt oder ihn nach Wien hatte kommen lassen. Aber die Aerzte hatten mir unbedingt abgerathen, weil die Reise und das ungewohnte Wiener Klima nur seinen Tod beschleunigen würde. Den einzigen Trost fand ich darin, daß mir das Glück zu[232] Theil geworden, ihm ein sorgenfreies Alter verschafft zu haben.

Als in Wien die schöne Kirche in Altlerchenfeld, welche der Schweizer Architekt Müller entworfen und zu bauen angefangen hatte, der Vollendung nahe war, erhielten acht Künstler den Auftrag, dieselbe mit Fresken auszuschmücken. Obwohl Prof. Führich ein im streng kirchlichen Geiste durchdachtes Programm festgestellt hatte, mußten doch bei der selbstständigen Richtung der einzelnen Künstler einige Abweichungen und Verschiedenheiten erfolgen. Das Mittelschiff wurde mir und Prof. Karl Mayer übergeben. Die Bilder auf der linken Wand des Mittelschiffes und in der Hälfte des Kreuzgewölbes gegen den Chor zu sind von mir entworfen und ausgeführt. Die Gewölbbilder stellen in colossaler Größe sechs religiöse Allegorien vor: Die Unschuld, Geduld, Weisheit, Stärke, Keuschheit und Gerechtigkeit. Die Wandfläche zeigt Bilder aus dem Leben Christi nebst Symbolen, Parabeln und Propheten. Die vier Hauptbilder sind: Maria Verkündigung, Geburt Christi, Taufe Christi und die Bergpredigt. Dazwischen sind links und rechts vier Christusgestalten, und zwar Christus als Gärtner, Hirt, Pilger und Säemann; unter diesen sind vier Prophetenbilder. Ueber den Hauptbildern sind zwei Thiergestalten, der Fisch und das Lamm, als Hauptsymbole des Heilandes und die vier Parabeln: Christus als Gärtner, als barmherziger Samaritaner, Christus, wie er zu Petrus spricht: »Weide meine Lämmer« und als Ernter mit Garbe und Sichel – im Ganzen 24 Fresken. Die rechte Seite des Mittelschiffes ist von Karl Mayer entworfen und ausgeführt.[233]

Bei Gelegenheit der Vermählung des Kaisers wollte auch die Akademie ein Zeichen ihrer Verehrung geben. Man überreichte der jungen schönen Kaiserin ein Missale auf Pergament im Stile des 14. Jahrhunderts. Der Text war in gothischer Schrift von dem geschickten Kalligraphen Kanka geschrieben, die Miniaturen und Initialen von den Professoren gemalt. Von meiner Hand sind das Fest der h. drei Könige vor der Krippe und einige kleine Figürchen mit Initialien. Der Einband war nach einer Zeichnung des hochbegabten Professors van der Nüll mit Elfenbeinschnitzereien und in Gold und Silber gefaßten Edelsteinen ausgeführt. Es war ein wahres Prachtwerk. Alle dabei Betheiligten erschienen bei der Uebergabe persönlich vor Ihrer Majestät, deren reizende Schönheit und Jugendfrische uns Alle überraschte. Durch dieses Werk angeregt bestellte der Kaiser ein ähnliches großes Missale, um es dem Papste zum Geschenk zu machen. Mir wurde dabei aufgetragen: die drei Festtage in Miniatur zu illustriren, das Weihnachtsfest, Maria Geburt und Pfingsten, die Sendung des h. Geistes. Einige der Professoren waren aber sehr langsam; auch ich konnte zwei Miniaturbilder erst in Venedig vollenden, so daß das viel reichere und in seiner Art einzige Prachtwerk erst in vier Jahren fertig wurde. Der h. Vater spendete dafür Jedem von uns den Orden des h. Gregorius.

Da meine Frau seit jenem Schrecken auf dem Schiffe kränkelte, und kein Wiener Arzt die Krankheit erkannte, schickte ich sie mit der kleinen Cornelia nach Genua zu ihrem Stiefvater Millingen. Als ich 1855 als Maler-Juror zur Weltausstellung nach Paris geschickt wurde, reiste ich mit meinen zwei Knaben zuerst zu meiner Frau, ließ die Kinder[234] bei ihr und ging von Genua über Marseille nach Paris. Mein Bild »Karl der Große in der Knabenschule« war dort ausgestellt und erhielt den zweiten großen goldenen Medaillenpreis. Der Eindruck von Paris, von seinem Leben und seinen Kunstschätzen, war überwältigend. Nach drei Wochen erhielt ich eine Einladung nach London zu dem österreichischen Botschafter, Graf Colloredo, dem Gemahl der edlen Potocka, deren liebenswürdiger Gönnerschaft ich so viel in Italien und Wien zu verdanken hatte. Graf Colloredo war so gütig mir einen deutschen Kammerdiener zur Verfügung zu stellen, und in seiner Equipage fuhr ich von einer Galerie zur anderen, so daß ich die besten Kunstschätze in London kennen lernte. Die Empfehlungen des Gesandten öffneten mir jede Thür. Leider mußte ich nach neun Tagen wieder nach Paris zurückkehren. Hier blieb ich noch vier Wochen und reiste dann durch die Schweiz abermals nach Genua, um meine Familie abzuholen. Da in Oberitalien wieder die Cholera hauste, und in Genua allein täglich zehn Procent der Bevölkerung starben, hatte Doctor Millingen meine Familie in's ligurische Gebirge geführt. Ich fand jedoch meine Frau so leidend, daß ich das Aergste fürchtete und sie mit den Kindern nach Wien zurückführte. Doctor Wattmann, den meine Frau consultirte, meinte, im Anfange hätte sie vielleicht durch einen Aderlaß gerettet werden können, aber jetzt sei es zu spät; nur eine Cur in Recoaro in den Vicentiner Bergen könne ihr eine Erleichterung bieten. Das war denn sehr traurig. Weil ich das Wiener Klima am meisten verderblich für meine Frau hielt, schickte ich sie mit der kleinen Cornelia und dem braven Dienstmädchen Mathilde Seebach im Winter 1855 nach Triest, wo es ihr[235] in der That besser ging. Da in jenem Winter mein ehemaliger Lehrer Professor Lipparini gestorben war, bewarb ich mich um die Professur an der Akademie zu Venedig, und das Ministerium in Wien willigte mit lobender Anerkennung meiner bisherigen Thätigkeit in meine Versetzung. Die nächsten Monate blieb ich noch in Wien und malte ein kleines Genrebild für Jakob Treves in Venedig. Ein Anderes, »römische Pilger vor einem Gewitter sich in eine Felsenhöhle flüchtend«, das ich in Wien begonnen hatte, wurde erst in Venedig vollendet. Als der Kaiser nach Venedig kam und mein Atelier besuchte, gefiel ihm das Bild derart, daß er es übernahm.

Nachdem meine Fresken in der Altlerchenfelder Kirche theilweise vollendet und mehrere Cartons und Bilder bereits abgeschickt waren, hielt mich nichts mehr in Wien zurück und ich übersiedelte mit meinen Knaben und der treuen Loretta aus Ariccia im Sommer 1856 nach Venedig. Meine Frau war bereits vorausgegangen und hatte auf der Zattere einen gothischen Palazzetto gemiethet und allerliebst eingerichtet. Ich fühlte mich unsäglich glücklich in der alten malerischen Lagunenstadt, wo ich mehrere Jahre meiner Jugend zugebracht, Gutes und Schlimmes erlebt hatte und nun als Lehrer in dieselbe Akademie eintrat, in der ich die Milch der Kunst mit so viel Begierde eingesogen hatte. Meine Freude war zu groß, als daß sie nicht hätte getrübt werden sollen. Gleich in der ersten Zeit hatte ich einen harten und langen Kampf für die Freiheit des Unterrichts, welche uns Director Ruben in Wien nie verkümmert hatte, zu bestehen; ja es kam so weit, daß ich meine Stellung aufgeben wollte, aber ich blieb siegreich, obwohl mein Vorgesetzter[236] in Wien ein unbedingtes Vertrauen genoß. Mein muthiges Auftreten kam der ganzen Akademie zu Gute und erwarb mir die Liebe der Schüler wie die Achtung der Professoren. Ich will aus Rücksicht für lebende Personen jenes höchst unerquickliche Zerwürfniß in diesen Blättern verschweigen, aber ich gedenke noch später diese und andere Geschichten niederzuschreiben zum Zeugniß, wie sich auch dem besten, edelsten Streben Neid und Eigensinn entgegenstellen, daß jedoch ein tapferer Mann, der gerade auf sein Ziel losgeht, über alle Hindernisse zum Siege kommt.

In der Malerschule an der Akademie suchte ich auf's Beste zu wirken. Ich führte das Kopf-Modellmalen ein, das bisher nicht bestand, gab den Schülern jede zweite Woche eine Composition auf und ließ sie, um ihr Gedächtniß zu schärfen, freie Contouren von den Zeichnungen, die sie nach der Natur gemacht, entwerfen. Die vorgerückteren Schüler ließ ich unter meiner Leitung historische Bilder nach ihren eigenen Compositionen ausführen, und dafür wies ich jedem ein kleines Atelier an, deren es mehrere in der Akademie gab. Die Elementarschule, wo die Anfänger unter der Leitung des gewissenhaften Professors Grigoletti zuerst nach Vorlagen und dann nach Gypsabgüßen von antiken Köpfen und Statuen zeichneten, war vortrefflich. Hier ließ ich auch meinen Sohn Eugen, der damals dreizehn Jahre alt war, studiren. Nach einem Jahre und nachdem er nebenbei den Curs in der Perspective, Ornamentik und Architektur durchgemacht hatte, nahm ich ihn in meine Abtheilung auf und ließ ihn des Tags hindurch bei den antiken und anatomischen Studien und des Abends im Winter bei nackten lebenden Modellen arbeiten. Er machte ganz ungewöhnliche Fortschritte[237] und fing schon kleine Skizzen an; ja er componirte sogar einen Cyclus aus der Iliade. Dabei lernte er zu Hause französisch, englisch, Musik, Kunst- und allgemeine Geschichte und übte seine physische Kraft im Schwimmen und Turnen, so daß er zu einem kräftigen, gesunden Jungen heranwuchs. Meinen zweiten Sohn Julius wollte ich anfangs nicht zum Maler heranbilden und ließ ihn in Venedig durch mehrere Jahre im Gymnasium studiren. Als er mir aber gestand, daß er fast nichts gelernt und die vortrefflichen Zeugnisse mehr durch die Gunst der Lehrer als sein eigenes Verdienst erworben habe, schickte ich ihn ebenfalls in die Elementarschule des Grigoletti und ließ ihn zu Hause wie Eugen unterrichten. Obwohl er etwas leichtsinnig war und etwas früh zu malen begann, brachte er es doch mit seinem Talent bald vorwärts. Mir lachte das Herz, wenn ich die zwei kräftigen gesunden Jungen mit ihren rothen Backen und leuchtenden Augen zwischen den bleichen schwächlichen Schülern einherschreiten sah.

Meine erste Arbeit in Venedig war die Fortsetzung der Cartons für die Fresken in der Lerchenfelder Kirche, wo ich von Anfang Juni bis Ende October weiter malte. Im zweiten Winter malte ich neben den Cartons zwei Genrebildchen aus dem römischen Volksleben: »la fidanzata«, »die Verlobte«, welches der Minister von Bach kaufte, und das Bild »römische Frauen aus der Kirche kommend« für den kunstsinnigen Erzherzog Ferdinand Max, der es nach Miramar schickte. Im zweiten Sommer in Wien, als ich meine Frescobilder beinahe vollendet hatte, malte ich sechs Kinderporträte für eine russische Familie sammt der Mutter.[238] Diese war eine Circassierin und von vollendeter Schönheit; die Kinder ebenfalls schön wie Engel.

Im August 1857, während ich in der Lerchenfelder Kirche an einer Engelsgruppe arbeitete, erhielt ich ein Telegramm von dem Grafen Franz Zichy, dem Obersthofmeister des Erzherzogs Max, welches mich augenblicklich nach Mailand berief. Noch denselben Abend war ich auf der Bahn, blieb einen Tag bei meiner Familie in Venedig und reiste dann sogleich nach Monza, wo der Erzherzog seinen Hof hielt. Ich sollte mit dem Obersthofmeister nach Rom reisen, um dort aus der Galerie Albani, welche versteigert wurde, Gemälde zu kaufen. Obwohl wir rasch nach Rom fuhren, kamen wir doch zu spät, denn die besten Bilder der Galerie waren schon veräußert, und zu dem Reste konnte ich nicht rathen. Als ich in Rom den Onkel meiner Frau, Herrn Domenico Auda, besuchte, erfuhr ich, daß die päpstliche Regierung das reiche Museum des Capanna, der einer Defraudation im Versatzamte beschuldigt wurde, confiscirt habe und verkaufen wolle. Auda sagte mir dabei, daß der h. Vater, der damals Oesterreich wegen des Concordates sehr freundlich gesinnt war, geneigt sei, das ganze Museum für einen billigen Preis der österreichischen Regierung zu überlassen. Ich erzählte davon dem Grafen Zichy, dieser schrieb sogleich nach Monza, und der Erzherzog antwortete, daß er bei Sr. Majestät dem Kaiser den Ankauf dieser Schätze befürworten wolle. Inzwischen besuchten wir das Museum und fanden neun große Zimmer voll Statuen, Fragmenten und Büsten, acht Zimmer mit Vasen und Bronzen, von denen die meisten in den letzten Jahren ausgegraben waren, und fünf Zimmer mit Gemälden. Von den letzteren notirte[239] ich mir 25 Bilder, theils aus der altflorentiner Schule, Originale von Fiesole, Giotto, Orcagna, Ghirlandajo und Filippo Lippi, theils aus der Venetianer Schule mit mehreren Tizian und Veronese. Mein Rath ging dahin, das ganze Museum für Wien anzukaufen, und zwar um den verhältnißmäßig billigen Preis von einer Million römischer Scudi; die 25 kostbaren Bilder waren mit eingerechnet. Weil wir aber die Entscheidung von Wien nicht abwarten konnten, kauften wir aus einer Privatsammlung drei Gemälde für den Erzherzog und reisten nach Mailand zurück. Der Erzherzog, dem ich den Katalog des Museums und meine Aufzeichnungen vorlegte, wurde ganz begeistert und trug mir auf, sogleich ein Gutachten darüber zu verfassen. Ich beschrieb nun in kurzem die Schätze des Museums, die Statuen, von denen mehrere zu den besten griechischen Antiken gehörten, die werthvollen Vasen, und machte darauf aufmerksam, daß in der Belvedere-Galerie die altflorentinische Schule gar nicht vertreten sei, erwähnte, wie dieses Museum den Grundstock für eine Glyptothek in dem schönen, neu geschmückten Wien bilden könne, welcher Gewinn daraus für die Kunst und die allgemeine Bildung erwachsen müsse, wie der Preis in einigen Jahren sich selbst auszahlen würde u.s.w. Der Erzherzog war mit meiner Schrift sehr zufrieden, machte mir ein herrliches Geschenk und sagte; »Ich hoffe, daß unser Plan gelinge.« In Wien erhielt ich jedoch einen Brief des Grafen Zichy, in welchem mir der Erzherzog sagen ließ, daß unser schöner Plan im Finanzministerium gescheitert sei, weil man das Geld zu Kriegsrüstungen brauchen werde. Die Schätze des Capanna-Museums[240] wurden später nach Rußland und zum Theile nach Frankreich verkauft.

In Wien malte ich noch zwei kleine Altarbilder für das Pusterthal in Tirol, einen Schutzengel für eine ungarische Gräfin und einige Porträte. Im Herbst 1858, als ich die Fresken in der Lerchenfelder Kirche vollendet hatte, und keine ferneren Aufträge für mich in Aussicht standen, unternahm ich ein figurenreiches Gemälde aus der venetianischen Geschichte des 5. Jahrhunderts, wie sie Galibert erzählt: den »Raub der venetianischen Bräute durch istrianische Piraten«. Ich wählte den Moment, wie die wilden Räuber die schönen mit Prachtkleidern und Juwelen geschmückten Mädchen theils tragend, theils zerrend sich gegen die unbewaffneten verlobten Männer vertheidigen und mit ihren Schätzen den nahen Schiffen zueilen. Nach dem vielen Heiligenmalen war mir eine so lebendige, dramatische Darstellung eine wahre Erquickung, ja ich fand, daß ich dazu mehr Talent hatte, als zu den ruhigen, religiösen Scenen. Es kam mir vor, als wäre ich durch meine römischen Studien in eine meinem ganzen Wesen und meiner innersten Empfindung entgegengesetzte Richtung gekommen; diese Richtung entsprach dem Zeitgeiste und der Kunstanschauung von damals, aber meine Phantasie hatte sich immer mit lebenden Handlungen und gewaltigen Scenen beschäftigt. Meine erste Preisarbeit in Venedig, die »Tullia, welche über die Leiche ihres Vaters nach dem Senate fährt«, war ein sehr tragischer Gegenstand.

Da im nächsten Frühjahr die akademische Kunstausstellung in Wien nach einer längeren Unterbrechung wieder eröffnet werden sollte, beeilte ich mich mit dem Bilde fertig[241] zu werden. Der Zufall wollte, daß der Erzherzog Ferdinand Max bei seiner Durchreise nach Wien in Venedig mein Atelier besuchte. Das Bild gefiel ihm, und er sagte mir in Gegenwart seines Adjutanten: »Sie wären der rechte Mann, dem man die Ausschmückung des Arsenal-Museums mit Fresken anvertrauen könnte; Ihre Bilder in der Lerchenfelder Kirche zeigen eine vorzügliche Technik und dieses Bild beweist, daß Sie auch historische Bilder und Schlachten lebendig darzustellen verstehen. Wenn Sie die große Arbeit übernehmen wollen, will ich gleich nach meiner Ankunft mit meinem Bruder, dem Kaiser, davon sprechen. Schicken Sie das Bild nach Wien; der Kaiser wird wie ich die Ueberzeugung und das Vertrauen zu Ihnen bekommen.« Ich traute kaum meinen Ohren und erlaubte mir nur die Bemerkung, wie ich gehört und in den öffentlichen Blättern gelesen habe, daß der Maler Karl Rahl mit diesem großen Werke beauftragt sei; ich hätte ihm selbst, als er mich in diesem Atelier besucht, dazu Glück gewünscht und möchte auch nicht einen so geachteten Künstler verdrängen. »Glauben Sie gar nichts«, erwiderte der Erzherzog, »was die Zeitungen darüber schreiben; diese wollen nur eine Pression damit ausüben. Rahl hat vielleicht vom Commandanten des Arsenals, Freiherrn von Augustin, ein Versprechen, aber der Beschluß hängt nur vom Kaiser allein ab, dem aber das von Rahl vorgelegte Programm mit seinen Allegorien und sagenhaften Entwürfen gar nicht gefällt. Se. Majestät will in diesen Hallen die Geschichte Oesterreichs und die seiner Armee verherrlicht sehen.« Ich war nun zur Genüge überzeugt, daß ich die Verwendung des Erzherzogs annehmen könne, ohne irgendwie Rahl verdrängt zu haben. Auch las[242] ich an demselben Abend in der Augsburger allgemeinen Zeitung, daß Rahl den Auftrag für das Arsenal nicht erhalten, und vielmehr der Architekt Hansen in Deutschland einen Maler suchen und vorschlagen soll.

Bei der Ausstellung in Wien wurde meinem Bilde, »der Raub der venetianischen Bräute«, von der Jury, welche aus dem ganzen Professoren-Collegium bestand, mit Ausnahme der Stimme des Directors Ruben, der Kaiserpreis mit der großen goldenen Medaille zuerkannt. Es wurde später für das Museum in Innsbruck angekauft. Wie ich vernahm, hatte der Kaiser die Ausstellung besucht und das Bild sehr gelobt. Ich saß ruhig in Venedig, als mich ein Telegramm des Generaladjutanten Grafen Grünne unverzüglich nach Wien berief. In freudiger Hoffnung eilte ich nach Wien und entwarf im Geiste schon Schlachtenbilder und Siegeszüge. Graf Grünne, dem ich mich vorstellte, sagte mir, daß Se. Majestät mir die Fresken im Arsenal anvertrauen wolle; ich möge mir daher die Räume der Ruhmeshalle ansehen und sobald als möglich ein Programm vorlegen, welches jedoch nur Bilder aus der österreichischen Geschichte und die hervorragendsten Waffenthaten der österreichischen Armee enthalten solle. Ich kaufte mir sogleich die »österreichische Regentenhalle« von Ottokar Lorenz und besuchte den Professor der österreichischen Geschichte, Albert Jäger, der mir mit großer Bereitwilligkeit an die Hand ging. Als das Programm fertig war, übergab ich es dem Grafen Grünne; Se. Majestät genehmigte es mit einer kleinen Correctur, und gleichzeitig wurde der Referent für Kunstangelegenheiten Graf Franz Thun beauftragt mit mir den Contract abzuschließen.[243]

So stand ich denn vor einer Aufgabe, welche für den österreichischen Künstler in jeder Beziehung ehrenvoll und auszeichnend war. Im Vertrauen auf meine künstlerische Kraft übernahm ich die schwierige Arbeit und vollendete sie in eilf langen Jahren mit unsäglichem Fleiß und einer Aufopferung ohne Gleichen. Wenn ich jedoch der Leiden und Verfolgungen gedenke, welche ich in jenen Jahren zu dulden hatte, so überkommt mich noch heute eine bittere Erinnerung und ein tiefer Zorn. Hörte ich doch einst, als ich im Arsenal hoch oben auf einem Gerüste arbeitete, einen k. Oberst, der eine Gesellschaft von Herren und Damen in die Räume führte, sagen: »Schauen Sie her, welch' elendes Zeug hier gemalt wird.« Ich erfaßte schon einen großen Farbentopf, um ihn auf den Frevler hinabzuschmettern, aber ich besann mich noch und arbeitete weiter. Ich will all' die traurigen Erlebnisse, die noch in meiner Erinnerung haften, verschweigen und nur des Werkes selbst gedenken.

Die 45 Frescogemälde in der Ruhmeshalle des Arsenals, unter diesen die vier großen Schlachtenbilder mit colossalen Figuren in den Nischen der großen und mittleren Halle, die 40' lang und 20' hoch sind, sind alle von mir entworfen und mit eigener Hand ausgeführt. Nur in der Kuppel hat mir durch einen Sommer mein Sohn Eugen geholfen. Die Arbeit war eine riesige, und vielfache technische, physische und geistige Schwierigkeiten mußten dabei bewältigt werden. Die Kuppelbilder, welche die Geschichte der Babenberger darstellen, malte ich nach Cartons und kleinen Farbenskizzen. Aber schon bei den Medaillons, welche die vier kriegerischen Kaiser enthalten, war es nöthig realistischer vorzugehen. Ich konnte mich nicht mehr mit Cartons[244] und der herkömmlichen Weise begnügen, sondern malte als Vorlagen kleine Oelbilder mit coloristischer Betonung und realistischer Vollendung in Costume- und Porträtähnlichkeit. Diese Modellbilder, die ich noch besitze, vergrößerte ich durch ein Gitternetz zur Größe der Frescobilder, und zwar auf Papier in Contouren. Das feine Papier machte ich dann durch eine ölige Flüssigkeit durchsichtig wie Strohpapier und konnte nun damit täglich meine Zeichnung auf den frischen Mörtel aufpausen. So viel mir bekannt ist, hat noch kein Maler versucht, statt der Cartons, welche nur in der Zeichnung mit Schatten und Licht als Vorbilder dienen können, solche vollendete kleine Oelbilder zur Frescomalerei zu verwenden. Diese Oelgemälde kosten weniger Zeit und Mühe und stand auf den Gerüsten bequemer aufzustellen. Ich erzielte durch dieses neue Verfahren bei den Fresken im Arsenal eine brillante coloristische Wirkung in allen feinen Abstufungen von Tönen, obwohl mir in der Halle die erste Bedingung des Malens, das genügende Licht, fehlte, denn aus der Kuppel und durch die gothischen Fenster dringt nur eine Art Zwielicht herein. Ich war gezwungen, selbst an hellen Tagen bei Lampenlicht zu arbeiten und Luft, Wolken, aufsteigenden Rauch u.a. dabei zu malen. Jeder Frescomaler kann die Schwierigkeit ermessen. Ohne das helle Lampenlicht bei meinen Modellbildern hätte ich gar nichts ausrichten können. Der Künstler weiß, daß die grauen Töne, weil sie 4–5 mal lichter auftrocknen, genau zu berechnen sind, und da sich schon in zwölf Stunden ein dünnes Kristallhäutchen darüber bildet, ein bestimmter Raum mit allen Formen und Abstufungen an einem Tage vollendet werden muß. Die Luft in Fresco zu malen gehört zu den schwierigsten Aufgaben[245] in der Kunst. Die Farben, welche der Maler früher für 12–15 Töne vom dunklen Grau bis zum Blau gemischt und probirt hat, erscheinen, wenn sie auf dem Bilde getrocknet sind, klar und durchsichtig, aber im nassen Zustande und während des Malens sind sie alle gleich schwarz. Der Frescomaler muß daher seine Farben kennen, denn sehen kann er sie nicht, besonders bei mangelhafter Beleuchtung. Das Denken und seine Erfahrung muß ihm die Hand führen, wenn er die Wolken und Formen weich verbinden will. Sieht die Malerei schon im nassen Zustande so aus, wie sie aussehen soll, wenn das Bild trocken ist, dann kann der Maler sein Werk gleich wieder zerstören und von Neuem beginnen; denn diese Malerei verändert sich im Trockenen zum Entsetzen des unerfahrenen Künstlers; die kalten Töne werden licht, die warmen dunkel, in acht Tagen erscheint alles unrichtig, hart und spießig. Der erfahrene Maler läßt sich nicht irre machen, wenn sein Gemälde im nassen Zustande flach, ohne Rundung und ohne Harmonie in seinen Farben, in Schatten und Licht erscheint; er weiß, was er gemacht hat, und wie es aussehen wird, weil er jeden Ton kennt und berechnet hat. Dieses Wissen und eine gewisse Selbstbeherrschung ist nicht nur bei der Luft, sondern ebenso bei Figuren und allen Gegenständen, welche auf dem Bilde vorkommen, nothwendig. Der Unerfahrene, dessen Bild im Austrocknen verunstaltet ist, greift häufig in der Verzweiflung zu dem erbärmlichen Mittel, mit Temperafarben zu retouchiren; aber eine Retouche mit Deckfarben ist das Verderben der Fresken. Wenn diese Farben austrocknen, sind sie staubig, stumpf, spröde, die aufgelegte Temperamalerei hat kein Feuer und Leben und ist einer[246] baldigen Zerstörung, besonders im Freien, ausgesetzt. Es ist alles, wie wenn man einen todten Körper auf einen lebendigen gelegt hätte. Retouchen dürfen nur äußerst wenig und nur mit Lazurfarben mit Eierdotter und Essig wässerig gemischt gebraucht werden. Bei der »Schlacht von Turin« benützte ich die Retouche nur, um durch Lazuren die Gruppen etwas abzutönen und war in einem Tage fertig, während es viel längere Zeit brauchte, um das Bild von der entgegengesetzten Seite des Saales zu betrachten und die Farben zu berechnen. Wie oft gedachte ich des Spruches Michel Angelo's: »Die Frescomalerei ist Mannesarbeit, die Oelmalerei laßt den Frauen über.«

In den ersteren Jahren arbeitete ich an den Fresken im Arsenal von Anfang Juni bis zum October und kehrte dann für den Winter nach Venedig zurück. Hier malte ich außer meinen Vorstudien ein Altarbild: den h. Stephan von Ungarn, wie er seine Kroninsignien der Mutter Gottes zum Opfer bringt; Gräfin Stephan Szecheny hatte dasselbe für die neue Kirche in Wettendorf bestimmt; ferner einige andere kleine Altarbilder und ein Porträt der Gräfin Andrassy. Uebrigens führte ich in Venedig, da der Haß gegen die österreichische Regierung täglich zunahm, mit meiner Familie ein sehr zurückgezogenes Leben. Zu meiner Erholung fuhr ich öfter in die Lagunen auf die Entenjagd, zumeist mit Maler Nerly und meinem Sohne Eugen; aber der Letztere kam einmal dabei in große Gefahr. Er fuhr eines Tages mit einem Kameraden in einem Zandalo, d.h. kleinem Ruderschiffchen, über die Giudecca hinaus, um Duckenten zu schießen und wurde dabei vom Sturme und Gewitter überfallen. Als das Wetter niederging, geriethen[247] meine Frau und ich in große Angst; meine Hoffnung war, daß die zwei jungen Leute nach Fusina hinausgefahren und in einem Wachtschiffe (biroga) oder in einer Osteria auf dem Lande eine Zuflucht gefunden hätten. Da der Sturm jedoch noch am Abend fortdauerte, fuhr ich noch in der Nacht mit einem sicheren Schiffe, welches acht Ruderer führten, in die Lagunen hinaus, erkundigte mich von einem Wachtschiffe zum anderen und kam früh Morgens an die Riva und in den Canal zurück, ohne eine Spur von den Vermißten gefunden zu haben. Bei unserem Hause hörte ich jedoch die Stimme meines Sohnes, welcher vom Fenster herabrief: »Vater, ich bin schon da.« Einen Augenblick wurde ich in diesem Wechsel von Kummer und Freude halb ohnmächtig, bis ich Frau und Kinder wieder umarmen konnte. Die jungen Leute hatten in den Lagunen einige Enten geschossen, als das Wetter losbrach und der Sturm das Schifflein meilenweit in die Lagunen hinausjagte, bis es auf einem festen Grund stecken blieb und die Jünglinge in einer biroga Zuflucht fanden; erst am Morgen waren sie zurückgerudert. Vater und Mutter hatten jedenfalls mehr Angst ausgestanden als das muthige junge Blut.

In der Länge der Zeit wurden mir jedoch die Fahrten von Venedig nach Wien unbequem. Meine Stelle in der Akademie vertrat, wenn ich Anfangs Juni nach Wien reiste, der Maler und Professor Molmenti in ausgezeichneter Weise, aber die Behelfe für meine Studien, die Porträte der Feldherren und Fürsten, die Costüme der verschiedenen Jahrhunderte konnte ich nur in den Wiener Bibliotheken finden. Dafür wurde mir die Unterstützung des Herrn Hauptmanns Quirin Leitner, der jetzt k. Schatzmeister und Vorstand des[248] Arsenal-Museums ist, von unschätzbarem Werth. Er gab mir alle Quellen an, verschaffte mir Bücher und sorgte mit seinem gediegenen Wissen und wahrer Opferwilligkeit dafür, daß weder in den Costümen noch in der Auffassung der Geschichte ein Fehler vorkam. Er hat an dem Programm für die zwei Nebenhallen das Hauptverdienst.

Als nun Karl Rahl, dessen letztes Werk die Composition der Orpheussage für den Vorhang des neuen Opernhauses in Wien gewesen ist, 1865 gestorben war, suchte ich wieder um die Lehrstelle an der Wiener Akademie an und erhielt sie. Im Mai 1866 übersiedelte ich abermals mit meiner Familie nach Wien. Da die Akademie in dem alten Annagebäude nur über beschränkte Räume verfügte, wurde mir im Hof (Johannesgasse 4) ein Atelier eingerichtet, dasselbe, in dem einst der Bildhauer Zauner das Monument Kaiser Josephs II. modellirt und in Bronze gegossen hat. Der Architekt Siccardsburg, mein alter Freund, machte es mir behaglich und stellte auch einen neuen Cokesofen hinein, der mir aber bald das Leben gekostet hätte. Schon im Winter 1866/67 ging ich öfter mit Kopfschmerzen heim, ohne daß ich eine Ursache entdecken konnte. An einem warmen regnerischen Märztage hatte der Diener den Ofen wahrscheinlich überheizt, und als ich um ein Uhr in's Atelier kam, fühlte ich mich bald schläfrig und schlief auch in einem Lehnsessel ein, bis zum Glück ein Mann kam, der mir eine Gliederpuppe bringen wollte. Er rüttelte mich auf, und als ich besinnungslos zur Erde stürzte, lief er in den zweiten und dritten Stock und brachte Hilfe. Mehrere Professoren und der Director Ruben erschienen, ein Arzt wurde gerufen, und dieser ließ mich sogleich in den Hof hinaustragen,[249] wo man mich mit frischem Wasser übergoß und Essig vor die Nase hielt. Allmälig erholten sich meine Sinne, ich erkannte die Umstehenden, und nachdem ich eine Limonade getrunken und wieder erbrochen hatte, wurde mir leichter und besser. Während dem war der Mann, der mich gerettet, in der Stickluft des Ateliers ebenfalls halb todt zusammengebrochen und kam erst in der frischen Luft wieder zum Bewußtsein. Ich ließ ihn in einem Fiaker nach Hause führen und wurde dann selbst in einer Sänfte in meine Wohnung getragen. Als ich aussteigen wollte, brach ich abermals zusammen, bis mich der Arzt und meine Frau in's Bett brachten. Ich genoß eine Limonade, später etwas Bouillon, durchwärmte mich tüchtig, und am anderen Morgen erschien ich frisch und gesund in der Akademie. Auch Herr Holupp, der zuerst bei mir eingetreten, hatte sich erholt und kam Nachmittag in mein Atelier, wo ich ihm ein Geldgeschenk machte, das er reichlich verdient hat. Mir blieb von dem Unfalle durch einige Tage eine unbezwingliche Melancholie, die wohl ebenso eine physische als geistige Ursache hatte; denn ich war durch dritthalb Stunden wie in einem Todesschlafe, und zum erstenmale dachte ich daran, wie leicht der Tod den Menschen antritt. Der Cokesofen wurde natürlich hinausgeworfen und künftig nur mit Holz geheizt.

Bald sollte ich ein anderes tiefes Leid erfahren, den Tod meiner geliebten Frau. Agnesina hatte sich in Recoaro wunderbar gestärkt, war im Winter 1859 für einige Monate bei ihren Verwandten in Rom und Albano und kehrte gesund und blühend nach Wien zurück. Als sie 1867 über Schmerzen im Unterleib klagte, sagte mir Professor Späth, den ich consultirte, daß meine Frau gefährlich krank, ja[250] unrettbar verloren sei; binnen einem Jahre würde sie ihrem Leiden erliegen. Dr. Gustav Braun, der sie besuchte, sagte mir dasselbe; er behandelte sie bis zu ihrem Tode, meinte jedoch, mehr um Komödie zu spielen, denn es gebe kein Mittel für diese Krankheit, und er könne höchstens die Schmerzen etwas lindern. Ich mußte meiner Frau ihren Zustand verbergen, sie vielmehr in Hoffnungen einwiegen, bis sie am 18. October 1868, 48 Jahre alt, durch den Tod von ihren Leiden erlöst wurde. Dr. Braun hatte sie die größte Dulderin genannt, und sie ist in Wahrheit als eine Märtyrerin gestorben. Durch 26 Jahre waren wir verheiratet, und ich hatte das höchste eheliche Glück genossen, aber es war zu schön, das Schicksal hat es mir geraubt. Sie vereinte die Tugenden einer deutschen Hausfrau mit den natürlichen, angenehmen Manieren einer edlen Italienerin. Sie kannte keinen Stolz, alle Menschen hat sie als gleiche Geschöpfe Gottes genommen und den Armen ebenso freundlich behandelt, wie den Reichen und Mächtigen. Sie sprach das reinste Italienisch und mit einem wohlklingenden Organe, daß es Allen wohlthat. Sie war eine liebevolle Frau und eine besorgte Mutter. Nie wurde unter ihrer Sorge ein Kind krank. Wie viel Schönes und Gutes könnte ich noch von ihr niederschreiben, sie war auch von Jedermann geachtet und geschätzt.

Eine Zeit war ich wie gebrochen, und die heilende Zerstreuung habe ich nur bei meinen Arbeiten im Arsenal gefunden. Im Jahre 1872 wurde das Werk vollendet. Der Kaiser äußerte bei einer genauen Besichtigung seine vollste Zufriedenheit und »zum Beweis«, sagte er, »übergebe ich ihnen das Comthurkreuz meines Franz Joseph-Ordens«. Die[251] Bemerkungen des Kaisers waren sehr treffend, und ich hatte Gelegenheit, sein Verständniß für die Kunst, sowie sein gründliches geschichtliches Wissen zu bewundern. Es entging ihm auch nicht, daß die Malerei besser wurde, je weiter der Bildercyclus dem Ende nahte, wie denn das ganze Werk bis zum letzten Bilde, der »Schlacht von Novara«, nicht nur mit gleicher Ausdauer, sondern ebenso mit auffallenden Fortschritten beendet worden ist. Der Kronprinz von Preußen hatte mir, als er ein Jahr früher das Arsenal besuchte, die Hand gegeben und gesagt: »Sie haben sich hier ein für die Nachwelt dauerndes Monument errichtet, bald können Sie auf Ihren Lorbeeren ruhen.« Bei fremden Künstlern aller Nationen erntete ich großen Beifall, und sie lobten besonders das Colorit, welches alle anderen modernen Fresken übertreffe und den besten Werken der alten Meister an die Seite gestellt werden könne. Diese Trostsprüche, die mir von Zeit zu Zeit noch bei der Arbeit zukamen, gaben mir immer wieder neue Kraft, und ich erhob mich über die gehässigen Urtheile, welche in Wien und zumeist von Unberufenen ausgesprochen wurden.

Sonst lebte ich fortan ein Stillleben in der Kunst und Gesellschaft. An der Akademie sind meine früheren Collegen theils todt, theils pensionirt1; ich und Radnitzky sind die einzigen aus der alten Zeit. Allmählig trennten sich auch meine Kinder von mir, Eugen war in Italien, heiratete eine Venetianerin und hat sich bereits als Künstler einen geachteten Namen erworben. Der zweite Sohn Julius lebt[252] in Rom und ist ebenfalls ein tüchtiger Maler geworden, besonders im Pferdegenre. Meine Tochter Cornelia hat sich verheiratet und lebt in Ungarn. Von Zeit zu Zeit besuchen mich Kinder und Enkel oder ich sie; die Ferien bringe ich auf dem Lande zu, wo ich in den Morgenstunden arbeite und Nachmittag in Wald und Feld herumwandere wie in meinen jungen Jahren. Leider hat die Finanzkatastrophe von 1873, »der Krach«, auch meine Ersparnisse vernichtet und mich zu Einschränkungen gezwungen, die mir sonst unbekannt waren. Die Fortschritte der Kunst, namentlich in Deutschland und Oesterreich, habe ich mit Freude und Theilnahme beobachtet; wenn ich auch mit meinen 61 Jahren nicht mitteilen kann, so hinke ich wenigstens nach und schaffe und bilde, wie es mir um's Herz ist. Zum Zeugniß meiner noch frischen Kraft und Thätigkeit füge ich ein Verzeichniß meiner Fresken in der Ruhmeshalle und meiner letzten Bilder bis 1876 bei. Meine letzte große Arbeit war ein Altarbild für eine neue Kirche in Wien, welches mir Hofrath von Eitelberger zugewendet hat: »Der h. Johannes auf Patmos mit der Vision der h. Jungfrau.« Da im Ganzen die großen Arbeiten fehlen, so male ich kleine Bilder, Skizzen aus dem Volksleben oder mythische Scenen und die letzteren mit Vorliebe, weil mich die Uniformen und Waffen bei den großen Schlachtenbildern wahrhaft ermüdet haben. Wenigstens kann ich mich damit trösten, daß auch die größten Meister kleine Bilder gemalt haben und der wahre Kunstfreund auch in dem Kleinsten das Schöne und Große erkennt. So schließe ich meine Aufzeichnungen mit Freude und Trauer im Herzen, aber mit dem frohen Bewußtsein, alles aus mir selbst gestaltet[253] und das Schönste und Beste auf dieser Welt erreicht zu haben: die künstlerische Befriedigung, das eheliche Glück und die Gründung einer Familie, in der sich Name und Neigung forterbt. –


Verzeichniß der Frescogemälde in der Ruhmeshalle des k. k. Arsenals in Wien2.

In der großen Mittelhalle:


1. Vier allegorische Kuppelbilder: Die Tapferkeit, Selbstbeherrschung, Macht und Kunst.

2. Vier Friesbilder aus der Geschichte der Babenberger: Die Erstürmung von Mölk durch Leopold den Erlauchten; Leopold der Heilige weist die Kaiserkrone für Lothar von Sachsen zurück; Friedrich Barbarossa belehnt Heinrich Jasomirgott und Heinrich den Löwen; Leopold der Glorreiche als Beförderer der Kunst und Wissenschaft.

3. Vier Pendentivgemälde: Kaiser Rudolph bei Ottokar's Leiche; Albrecht's I. ritterlicher Zug über den Semmering; Kaiser Max I. und Georg von Frundsberg; Karl V. empfängt den Degen König Franz' I.

4. Vier Bilder in den großen Wandnischen mit Nebenscenen:

a) Die Schlacht bei Nördlingen; links Boucquoy's Sieg bei Zablat; rechts Johann von Werth bei Tuttlingen.

b) Der Kriegsrath bei St. Gotthard; links die Schlacht bei Levenz; rechts die Vertheidigung Wien's gegen die Türken.

[254] c) Die Schlacht bei Zenta; links die Erstürmung von Ofen; rechts Prinz Eugen's Zug nach Bosnien.

d) Die Schlacht von Turin; links der Ueberfall Eremona's; rechts der Einzug König Karl's III. zu Madrid.

5. Drei Porträte in Medaillons zwischen den Fenstern: Die Gründer und Verbesserer der österreichischen Artillerie, Kaiser Max I., Graf Joseph Colloredo, Fürst Wenzel Liechtenstein.


Im ersten Nebensaale links:


Das Deckengemälde: Die erste Verleihung des k. k. militärischen Maria Theresien-Ordens (groß).

Pendentivbilder: Maria Theresia mustert die Truppen bei Solenau; Ueberfall Berlin's durch F. M. L. Haddik; Erstürmung von Schweidnitz; Capitulation von Linz.

Wandflächenbilder: Die Schlacht von Kolin; Ueberfall bei Hochkirch; Kampf bei Piacenza; Uebergabe von Belgrad.


Im zweiten Nebensaale rechts:


Deckenbild: Einzug des Kaisers Franz in Wien.

Pendentivbilder: Schlacht bei Würzburg; Treffen bei Ebelsberg; Kampf auf dem Berge Isel; Einnahme von Vicenza.

Wandflächenbilder: Schlacht bei Caldiero; Schlacht bei Aspern; Schlacht bei Leipzig; Schlacht bei Novara.


Spätere Bilder bis 1876:


Ein Altarbild: »Der h. Valentin«, als Geschenk für die Pfarrkirche in Nauders.

Satyr und Nymphe.[255]

Sirenen mit Ulysses.

Ein Genrebildchen, mehr Thierstück: »Die Lieblinge.«

Ein alter Schuster.

Eine alte Bäuerin.

Das gefährdete Rendezvous.

Zwei Clericale.

Die verstoßene und von den Nereiden gerettete Danae.

Centaur raubt eine Nymphe (groß).

Zwei Genrebilder: »Hirtenkinder« und »der kleine Fischer«.

Das Donauweibchen.

Das verlassene Alter.

Furcht vor dem Gewitter.

Ein Sonntag in Albano bei Rom (schaukelnde Mädchen).

Mehrere Porträte und Studienköpfe.[256]

1

Prof. Karl Mayer ist inzwischen am 9. Juni 1876 in Wien gestorben. A. d. H.

2

Ein Prachtalbum: »Karl Blaas' Fresken im k. k. Arsenal in Wien, Verlag von Albert in München«, enthält die sämmtlichen Photographien dieser Bilder mit kurzen geschichtlichen Erläuterungen. Wien bei Capellen, Seilerstätte 2.

Quelle:
Blaas, Karl: Selbstbiographie des Malers Karl Blaas 1815–1876. Wien 1876, S. 224-257.
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