Erste Arbeitspläne

[65] Als ich nach meiner Rückkehr von der nordischen Reise in Berlin alles Nähere über meine zukünftige Stellung verabredet hatte und der Antrag auf meine Anstellung an den Protektor nach Reichenhall, wo der Kronprinz zur Kur sich aufhielt, abgeschickt war, ging ich bis zur Zustellung meiner Anstellungsurkunde zu meinen Eltern nach Braunschweig. Von hier aus teilte ich ein kurzes Promemoria an Graf Usedom mit, was meiner Ansicht nach für die Abteilungen, deren Fürsorge mir allein oder mir mit übertragen werden sollten, in nächster Zeit schon geschehen könne. Ich machte darin auf mehrere mir als käuflich bekannte Sammlungen: die Sammlung Wilke in Halle, Rost in Dessau, Mestern in Hamburg, Graf Schönborn in Pommersfelden, Nahl in Kassel, in denen mir einige Bilder brauchbar erschienen, auf die Rubenssche Skizze der Eroberung von Tunis durch Karl V. in Petersburg und anderes aufmerksam. Dann schlug ich die Erweiterung der italienischen Schule durch Ankäufe hervorragender Gemälde der Meister der Renaissance, namentlich in Italien, und der holländischen Schule durch Vermehrung der Werke von Frans Hals, Rembrandt und der Kleinmeister vor. Endlich bat ich den Versuch zu machen, ob die Erlaubnis zu einer Auswahl der besten Gemälde der französischen Schule und einiger vlämischer Bilder aus dem reichen Vorrat der Schlösser, die bei Bildung der Galerie wegen mangelnden Verständnisses für diese Meister verschmäht worden war, zu erlangen sei.

Der Kronprinz ging auf die meisten Vorschläge, namentlich die letzteren, lebhaft ein. Nur meinte er, Meister wie Frans Hals seien doch wohl zu untergeordnet, um berücksichtigt zu werden.[65] Graf Usedom beauftragte mich dann, mit den Besitzern der von mir namhaft gemachten Sammlungen zu unterhandeln, die er durchaus gleich als Ganzes erworben wissen wollte. Bei eingehender Besichtigung fand sich jedoch, daß nur wenige Gemälde brauchbar waren. Die Ankäufe der Bilder aus der Mesternschen Sammlung kamen erst nach zwei Jahren zustande, auf die Rostsche Sammlung wie auf die Bilder in Pommersfelden, den Rest von dem, was in Paris 1867 nicht verkauft worden war, verzichteten wir, da sie uns nicht vollwertig erschienen. Von den beiden trefflichen Altären des H. Baldung, den frühsten bekannten Werken des Meisters, die er für die Stadtkirche in Halle gemalt hatte, erwarben wir vom damaligen Besitzer, Stadtrat Wilke in Halle, leider nur das eine Triptychon, die Anbetung der Könige, für 2000 Taler, während das zweite mit dem Martyrium des heiligen Sebastian auf meine Empfehlung von Friedrich Lippmann für seine Sammlung erworben wurde. In der Sammlung Nahl in Kassel, die uns Dr. Eisenmann warm empfohlen hatte, fanden wir nur eine größere Landschaft mit Jägern wünschenswert, die als A. Cuyp galt; sie wurde für 3000 Taler erworben. Damit wäre das Bild auch heute noch überzahlt, da es nicht von Cuyp, sondern nur von Ludolf de Jonge herrührte.

In der Anschaffung von Bildern unter Cuyps Namen war die Galerie überhaupt nie glücklich; ausgenommen mehrere charakteristische frühe kleine Landschaften in der Art von J. van Goyen, besitzen wir heute erst ein echtes Bild von Albert Cuyp, ein kürzlich der Galerie geschenktes großes Stilleben von erlegtem Federwild. Eine kleine Landschaft mit Kühen (jetzt im Provinzialmuseum zu Bonn), die Meyer 1887 von St. Bourgeois kaufte, ist eine moderne Imitation, und selbst die feine kleine Flußlandschaft mit Kühen, die nebst anderen völlig irrtümlich dem Meister zugeschriebenen Gemälden mit der Sammlung Suermondt erworben wurde, scheint mir nur eine Kopie von J. oder A. van Stry nach dem größeren trefflichen Bilde im Boymans Museum zu Rotterdam. Um Cuyp kennenzulernen, sind die ihm zugeschriebenen Bilder in den Galerien[66] des Kontinents, wenn auch der Louvre, die Eremitage, die Sammlung Czernin, die Galerie in Budapest, einige treffliche Werke enthalten, viel zu spärlich, zu gering und zwei felhaft. Nur in England kann man ihn wirklich studieren: in der National Gallery, in der Wallace Collection, in Dulwich und Bridgewater Gallery, im Dorchester House usf. Daß aber selbst in England manche Kopien und Imitationen unter Cuyps Namen gehen, bewies die Cuyp-Ausstellung in der Winter Exhibition 1906, in der kaum die Hälfte der ausgestellten Bilder aus englischem Privatbesitz echt waren.

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 1. Band. Berlin 1930, S. 65-67.
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