Erwerbung der Büste von Palla Rucellai

[126] In Berlin wurde ich vom Generaldirektor mit einer mir ganz ungewohnten kalten Korrektheit empfangen und sofort zu Berichten über alles, was ich an käuflichen Sachen gesehen und als brauchbar notiert hatte, aufgefordert. Ich erfuhr gleich darauf den Grund: Graf Usedom hatte einen derben Verweis vom Protektor erhalten, daß er alle meine Briefe aus Italien unbeantwortet gelassen hatte. Lange wirkte das aber nicht, nach wenigen Wochen war die alte Verbummelung aller Geschäfte und der plötzliche Wechsel von geschwätziger Vertraulichkeit zu übelster Laune wieder an der Tagesordnung. Und gerade damals gab es fast gleichzeitig Hervorragendes in merkwürdiger Menge. Die Verwaltung des Hofje van Beresteyn in Haarlem bot die Bilder von Frans Hals um eine halbe Million Mark an, Friedrich Lippmann war bereit, seine altdeutschen und altniederländischen Bilder um 50000 Gulden herzugeben, und die Versteigerung der Sammlungen Baron Schneider in Paris, Lippmann-Lissingen in Wien u.a. wurde für das kommende Frühjahr angekündigt. Vor allem konnte ich die Unterhandlungen über eine Reihe der wichtigsten Erwerbungen von italienischen Renaissanceskulpturen dem Abschluß nahebringen. Die große Stuckbüste des sogenannten Palla Rucellai, die ich durch einen gewissen Gabrielli im Palazzo Rucellai für 10000 Lire (damals etwa 7000 Mark) ausgehandelt hatte, fand zufällig Gnade vor des Grafen Augen, da er den berühmten Palla aus der Florentiner Geschichte kannte. Sie wurde anstandslos erworben, und doch knüpfte sich auch an diese Erwerbung wieder eine lange Reihe von Sorgen und Widerwärtigkeiten, ohne die unter dem Regime Usedoms[126] überhaupt nichts angefangen und durchgeführt werden konnte!

Als die Büste ankam, ließ sie Graf Usedom, der jede Sendung zuerst begutachten wollte, in sein Zimmer schaffen. Ich sah sie bei ihm gleich nach der Aufstellung mit unserem Restaurator Schmidt. Graf Usedom erklärte sich befriedigt mit dem Ankauf – es war eine ausgezeichnete Eigenschaft des Grafen, daß er jede vollzogene Erwerbung, selbst wenn sie gegen seinen Willen gemacht war, voll und ganz vertrat, betrachtete er sie dann doch als sein Werk! –, sagte aber, daß die Fliegenflecke im Fleisch ihn störten. Er würde die Büste mit Spiritus abwaschen lassen. Wir rieten dringend davon ab, und Schmidt erklärte, daß dadurch die alte Farbe, die Wasseroder Wachsfarbe sei, zerstört würde und die Flecken nicht einmal beseitigt würden, da sie bis tief in den Stuck hineingingen. »Nun, dann lasse ich sie eben neu anstreichen, da werden die Flecke wohl verschwinden« war die Ant wort des Grafen. Als ich im Laufe des folgenden Tages mir die Büste mit unserem Restaurator wieder ansah, war sie richtig teilweise geputzt; die Stirn erschien vollständig weiß. Ich war entsetzt und sagte dem Grafen, die Büste wäre ruiniert, da hätten wir doch besser getan, für 80 Lire uns einen Abguß machen zu lassen, statt 10000 Lire auszugeben. Aber Graf Usedom ließ sich dadurch nicht im geringsten irremachen. Er würde die Büste doch ganz putzen lassen, war seine Antwort.

In meiner Not lief ich ins Ministerium und erwirkte einen sofortigen Befehl, die Büste nicht weiter zu berühren und die Ankündigung einer Untersuchung. Diese wurde wirklich eingeleitet; fast zwei Jahre lang zog sie sich hin, während die Büste unter Verschluß war. Als sie endlich hervorgeholt wurde, fand sich, daß der Schaden nicht so groß war: Graf Usedom hatte trotz des Verbots die Büste seinem Faktotum Stübbe, der sie vorher mit Spiritus geputzt hatte, wieder anvertraut, und dieser hatte die gereinigte Stelle mit Öl eingerieben, wodurch der weiße Überzug vom Spiritus entfernt und die alte Farbe wenigstens teilweise wieder hervorgetreten war.[127] Der alte Kaiser war über die strenge und schließlich resultatlose Untersuchung gegen seinen Liebling so entrüstet, daß der Minister mir – trotz des Gutachtens unseres Restaurators – einen Rüffel wegen übertriebener Darstellung des Schadens erteilte.

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 1. Band. Berlin 1930, S. 126-128.
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