Merkwürdiges Schicksal eines Rembrandtbildes

[69] Aus dem Jahre 1887 erinnere ich mich eines interessanten Prozesses um ein Bildnis der Saskia von Rembrandt, das sich damals im Besitz des Grafen Luckner in Alt-Franken bei Dresden befand. Der Graf hatte seine Kunstsachen in Gegenwart eines alten Dieners neu versichert. Diesen hatten die hohen Preise der Gegenstände, deren Wert ihm bisher ganz unbekannt gewesen war, so verwirrt, daß er bald darauf einen Brand im Innern des Schlosses anstiftete und sich dabei eine Anzahl französischer Limoges-Arbeiten und dergleichen aneignete. Da er sie gleich darauf bei Antiquaren in Dresden verkaufte, wurde er sofort gefaßt und überführt. Bei dem Brand hatten fast alle Gemälde stark gelitten, darunter das auf Holz gemalte Porträt der Saskia, dessen Farbenschicht zahlreiche kleine und größere Blasen gezogen hatte und ganz geschwärzt war. Das Bild war mit 90000 Mark versichert, die der Graf gegen die Versicherungsgesellschaft einklagen mußte, da diese den Einwand der Unechtheit gemacht hatte. Von den beiden ersten Instanzen war er abgewiesen, weil die Sachverständigen erklärt hatten, daß das Bild nicht von Rembrandt sei. Professor Woermann hatte es für ein Bild von F. Bol erklärt. In letzter Instanz hatte Graf Luckner mich als Sachverständigen vorgeschlagen. Ich sah mir das Bild in Alt-Franken an und entdeckte darin zu meiner Freude ein Original Rembrandts, von dem mir bisher nur mehrere Kopien bekannt waren. Auf meine Schätzung erhielt der Besitzer eine Entschädigung von 45000 Mark zugesprochen. Die Versicherungsgesellschaft machte ihm aber den Vorschlag, statt dessen 40000 Mark und die Ruine des Bildes zu nehmen. Graf Luckner wollte nicht darauf eingehen, da das Kunstwerk in dem Zustande nicht mehr 5000 Mark wert sei. Ich sprach mit dem nicht lange vorher bei uns eingetretenen jungen Restaurator Alois Hauser, der[69] eine Instandsetzung des Gemäldes nicht für ausgeschlossen hielt. Schließlich überredeten wir den Grafen, und Hauser gelang die Restauration durch allmähliches Einweichen und Niederlegen der Blasen so vortrefflich, daß der Sohn des Grafen dreißig Jahre später das Bild an Baron Edmund Rothschild in Paris für etwa eine halbe Million francs verkaufte.

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 2. Band. Berlin 1930, S. 69-70.
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