Alleiniger Direktor der Gemäldegalerie

Günstige Bilderkäufe

[83] Im Herbst 1890 hatte Julius Meyer auf Verlangen seines Arztes wieder einmal seinen Abschied gefordert. Diesmal wurde er ihm wirklich erteilt, da er in den letzten Jahren seinen Dienst, auch wenn er nicht wegen Krankheit abwesend war, nur noch notdürftig hatte versehen können. Manche günstige Gelegenheit war seit Jahren verpaßt, die herrlichsten Bilder hatten wir uns um Spottpreise entgehen lassen müssen.

Aber die Konjunktur, selbst für Fonds, wie sie uns zu Gebote standen, war doch auch damals noch zum Teil günstig. Noch war die amerikanische Konkurrenz nicht in Erscheinung getreten, da die wenigen Amerikaner, die schon alte Kunst sammelten, wie Henry Marquand und Quincy A. Shaw, kaum höhere Preise zahlten als die Sammler auf unserem Kontinent. Da ich, trotz der schwachen Beteiligung unserer Galerie auf dem Kunstmarkt, die Beziehungen zum Handel durch die Erwerbungen für Freunde, für andere deutsche Museen, für die Abteilung der christlichen Plastik und andere Abteilungen unserer Museen stets aufrechterhalten hatte, vermochte ich in den nächsten Jahren auf wiederholten Reisen nach Paris, London und Italien die Chancen, die sich boten, selbst inner halb unserer Mittel vorteilhaft auszunutzen. Noch im Jahre 1890 hatte ich in London den »Sitzenden Greis« von Rembrandt, in Florenz das kleine[83] Meisterwerk des Antonio Pollajuolo, den »David«, und das in seiner Art nicht zurückstehende Bildnis der Eleonore von Toledo von Bronzino für mäßige Preise erwerben können.

Gelegentlich der Übernahme der Direktion ließ ich mir (ich kann diesen Ausdruck wählen, da ich an der Anregung zu diesem Geschenk nicht ganz unschuldig war) von Museumsfreunden ein kleines Bild verehren, das ich damals in Paris gefunden hatte. Sedelmeyer sprach mir von einem ganz ungewöhnlich schönen C. Netscher, den er in London gekauft hatte, wo er bei Christie kurz vorher (ohne Rahmen und in den zwei Brettern, aus denen das Bild zusammengefügt war) um bare 26 Guineas versteigert worden war. Das Bild befand sich noch beim Parquetteur. Wir mußten, um es zu sehen, fast eine Stunde weit hinausfahren, aber es lohnte den Weg! Ich kaufte das Bild um etwa 14000 Mark und nahm es sofort mit. Da es mir Netscher weit überlegen und ein ganz charakteristisches Werk des Terborch zu sein schien, ließ ich durch Hauser die Bezeichnung putzen, und siehe da: unter dem falschen Namen Netscher kam das echte Monogramm Terborchs zum Vorschein. Eis ist die köstliche Cellospielerin, die, obgleich mehr durchgeführte Studie als abgerundete Komposition, wohl von keinem Bild des Künstlers oder eines anderen holländischen Malers in der Wiedergabe des Stofflichen übertroffen wird. Gleich darauf konnte ich von demselben Händler, mit welchem ich damals auch durch die Ausgabe des großen Rembrandtwerkes häufiger zusammenkam, ein großes Hauptwerk von Jacob Ruisdael, den »Eichwald«, erwerben. Im gleichen Jahre kaufte ich von Dr. Jean P. Richter das Porträt eines Jünglings von Giorgione, dessen Erwerbung mit den Tizians der Sammlung Giustiniani in Padua mir durch den üblen Streich von Lenbach fast zehn Jahre früher verdorben war.

Reicher noch war die Ausbeute in den folgenden Jahren, nachdem uns wieder eine größere Summe für Erwerbungen der Galerie zur Verfügung gestellt worden war. In der Versteigerung der Sammlung des Earl of Dudley, 1892, konnten wir die große[84] Altartafel von C. Crivelli (um etwa 6000 Guineas) und die »Predigt Johannes des Täufers« von Rembrandt (um ca. 2500 Guineas) erwerben. Vom Marquis of Lothian gelang der Ankauf des großen Madonnenbildes von A. Dürer (um 4000 Guineas) und in Paris erwarb Dr. von Tschudi in der Versteigerung Hulot die Kreuzigung vom Meister von Flémalle und die Madonna mit den Engeln von Lucas van Leyden, zusammen um etwa 20000 francs.

Durch besonderes Glück begünstigt waren wir bei der Erwerbung von zwei weiteren Bildern Dürers, dem kleinen Bild einer jungen Frau mit dem Ausblick auf das Meer und dem Brustbild der schmerzensreichen Maria. Jenes Frauenbildnis wurde mir durch den Maler und Händler Fairfax Murray angeboten, während wir 1893 in einer Versteigerung bei Christie nebeneinander saßen. Er bat mich, da in der Versteigerung eine Zeitlang kein mich interessierendes Bild vorkam, mit ihm zu einem ganz nahe wohnenden Händler zu gehen, der ein prächtiges kleines Frauenporträt zum Verkauf habe, das er für Dürer halte. Das Bild zeigt im Brustlatz der Dargestellten in Stickerei die Inschrift Agnes D, von der nur die großen Buchstaben AD leicht erkennbar waren. Die hohe Qualität und die Überzeugung, daß nur Dürer der Meister sein könne, machte mir die Entscheidung nicht schwer. Der Händler erklärte, daß der Besitzer ein Gebot erwarte und schlug mir vor, ihm telegraphisch 1000 £ zu bieten, worauf ich mit Freuden einging. Wir kehrten zur Versteigerung zurück, wo ich neben dem Direktor der National Gallery, Sir Frederick Burton, Platz nahm. Nach einiger Zeit bekam dieser ein Telegramm, das er wiederholt ansah; endlich zeigte er es mir. Er sei in eigentümlicher Verlegenheit, ein intimer Freund von ihm besitze ein sehr feines Frauenporträt, das von Dürer sein solle. Da er zum Verkauf gezwun gen sei, habe sein Freund es der National Gallery angeboten, aber er könne es zum Ankauf nicht empfehlen, da das Monogramm nicht von Dürer sei. Nun habe er eben eine Depesche seines Freundes erhalten, der ihm mitteile, daß ich[85] ein Gebot von 1000 £ darauf gemacht hätte, und daß er ihm die Bestimmung überließe, ob er annehmen solle oder nicht. Ich bestätigte, daß ich es allerdings dafür kaufen wolle, worauf Burton, da er das Gebot für angemessen hielt, sofort eine zuratende Antwort abschickte. Noch während der Versteigerung bekam ich das Akzept, ging dann mit F. Murray zu dem Händler Gooden, und, um das Bild gleich mitnehmen zu können, bat ich, den breiten Rahmen darum abzunehmen. Murray remonstrierte, der Rahmen sei alt und fein; ich möge ihn ja nicht abnehmen. Ich bestand aber darauf, da der Rahmen ein (obendrein depatinierter) Florentiner Spiegelrahmen sei, und sagte zu Murray, ich wolle ihm den Rahmen schenken. Er nahm erfreut das Bild aus dem Rahmen, und, siehe da, es fand sich, daß die Malerei ringsum fast zwei Finger breit vom Rahmen verdeckt gewesen war, und daß sich oben in der Ecke das echte Monogramm Dürers befand. Der Kummer der beiden Händler und von Sir Frederick Burton war groß.

Das größere Brustbild der schmerzensreichen Maria von Dürer, ein späteres Werk von 1518, erwarb ich im folgenden Frühjahr in der Versteigerung Morosini-Gatterburg in Venedig so billig, daß ich mir die Freude bereiten konnte, es dem Museum zum Geschenk zu machen. Der Versteigerungskatalog bezeichnete es als Kopie des gleichen Bildes in der Akademie, das noch jetzt als Dürer bezeichnet wird, aber eine trockene Kopie auf Kupfer vom Ende des XVI. Jahrhunderts ist. So hatte niemand auf das Bild achtgegeben. Ein anderes, besonders anziehendes, phantasievolles Werk, die »Geburt Christi« von Albrecht Altdorfer, hatte ich 1892 von Charles Butler in London (um 120 £) erworben. Der alte Herr, der erst 1910 im Alter von einigen neunzig Jahren starb, pflegte alljährlich einen Anfall von Influenza zu haben. Dann waren ihm in dem Zimmer, in dem er krank lag, alle Kunstwerke, mit denen seine Räume vollgepfropft waren, zuwider, und er suchte durch einen Günstling unter den Händlern, von denen er zu kaufen pflegte, diese Sachen unter der Hand zu verkaufen.

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 2. Band. Berlin 1930, S. 83-86.
Lizenz:
Kategorien: