Literarische Kämpfe. Der Streit um Rembrandt

[91] Meine Anstellung als erster und alleiniger Direktor der Gemäldegalerie mit dem Auftrage, die Leitung der Abteilung der Bildwerke christlicher Epochen weiter fortzuführen, brachte mir allerlei äußere Ehrungen: ich wurde Mitglied des Senats der Akademie der Künste, wurde fast gleichzeitig als korrespondierendes Mitglied in die Akademien der Wissenschaften und Künste in Brüssel, Antwerpen, Leiden und München berufen, aber auch die Anfeindungen nahmen womöglich noch zu. Hermann Grimm, der mich nie geliebt und schon lange unter der Hand beim Ministerium und dem Protektor angeschwärzt hatte, schrieb jetzt offen gegen mich. Ihm schlossen sich in den Zeitungen mißvergnügte Künstler und Kollegen unter den Kunsthistorikern an.

Von anderer Seite kam mir ein ganz unerwarteter, indirekter Angriff, den jene mißgünstigen Kollegen energisch auszubeuten suchten. Ein gewisser Lautner veröffentlichte ein dickes Buch unter dem Titel »Wer ist Rembrandt?«, in dem er Rembrandt als talentlosen und verlumpten Unternehmer an den Pranger stellte. Der Maler habe die Bilder seines großen Schülers Ferdinand Bol mit seinem Namen versehen und als seine Werke in den Handel gebracht. Die »latenten« Bezeichnungen Bols befänden sich aber überall auf den durch Rembrandt mit seinem Namen gefälschten Bildern. Unser deutsches Publikum, nicht am wenigsten die Fachgenossen, fielen – wie leider so häufig – auf diesen Sensationsschwindel herein. Alle Zeitungen und Zeitschriften waren voll von der großartigen Entdeckung, und als ich in einer eingehenden Widerlegung das ganze Buch als eine für Deutschland tief beschämende Scharlatanerie und seine unglaubliche Beweisführung für Schwindel erklärte, wurde mir böswilliger Neid[91] vorgeworfen und mit einer Verleumdungsklage gedroht. Meine eigene Stellung – so urteilten Fachgenossen – sei vollständig untergraben, da meine Rembrandtforschungen damit in nichts zusammenfielen. Ja, Professor Grimm sandte sein damaliges junges Faktotum, den Geheimrat Professor Karl Frey († 1915), zu mir mit dem Verlangen, die sämtlichen sogenannten Rembrandtbilder unserer Galerie auf der Staffelei zu prüfen und daraufhin zu untersuchen, ob die Lautnersche Entdeckung der Inschrift F. Bols auf diesen Bildern begründet sei, was Professor Grimm nach Freys Aussage für so gut wie sicher hielt.

Aber die holländischen Fachgenossen kamen mir zu Hilfe, sie protestierten einstimmig und energisch gegen diese lächerliche Beschimpfung ihres größten Landsmannes. Als wir dann nachwiesen, daß Lautner zu jenen Hellsehern gehöre, die aus Rissen in der Farbe, Grashalmen und ähnlichen Zufälligkeiten Namensinschriften zusammenphantasieren und daß die in seinem Buche als Faksimiles ausgegebenen Bol-Inschriften aus solchen Zufälligkeiten von ihm ausgemalt und ergänzt seien, wie er selbst in einer versteckten Notiz seines Buches (S. 452) zugebe, daß also die wiederholt ausgesprochene Behauptung, sie seien auf rein photographischem Wege ohne Retusche wiedergegeben, unwahr sei, wurden die Freunde Lautners in der Presse allmählich still und suchten die fatale Angelegenheit totzuschweigen. Später hat mir unser Minister, Graf Zedlitz, zugegeben, daß er damals als Oberpräsident von Schlesien zu der Veröffentlichung des Buches einen Beitrag von 5000 Mark gestiftet habe, und zwar auf Antrag und Befürwortung des damaligen Kunsthistorikers an der Universität Breslau. Gegenüber solchen herostratischen Machwerken, die sich leider gerade in Deutschland in bedenklicher Weise mehren und regelmäßig begeisterten Anklang finden, ehe sie in ihrer Jämmerlichkeit bloßgestellt sind, möge ein Wort von Niebuhr in Erinnerung gebracht werden: »Es hat immer Menschen gegeben, welche an allem, was groß und schön war, Flecken aufsuchten oder sie anhefteten, und diese haben sich immer vor der Nachwelt verächtlich gemacht.«[92]

Nach beinahe zwei Jahrzehnten tauchte Lautner gelegentlich im Museum wieder auf. Ein Skandal, der den seinigen an Gehässigkeit und Torheit noch übertraf, hatte ihn ins Kaiser-Friedrich-Museum getrieben. Er wollte etwaige »latente« Künstlernamen an der Florabüste entdecken. Wie er uns mitteilte, war ihm dies auch mit glänzendem Erfolg gelungen: er habe zwar nicht die Bezeichnung Leonardos, dagegen mehrfach Raphaels Namen im Wachs gefunden, während der Giovannino deutlich an verschiedenen Stellen Leonardos Namen zeige!

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 2. Band. Berlin 1930, S. 91-93.
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