Bau des Kaiser-Friedrich-Museums

[111] Bei den Vorbereitungen und der Konstituierung des Vereins war mir Graf Dönhoff-Friedrichstein, der den Vorsitz annahm und seither innehat, wie so oft, besonders behilflich. Er hat damals auch das Seinige getan, um die Entscheidung über den Neubau mit herbeizuführen. Seit Jahren hatte Miquel, der im Ministerium allmächtig war, vom Bauen nichts hören wollen. Unser Generaldirektor war dadurch schließlich so verschüchtert, daß er die Forderung gar nicht mehr aufzustellen wagte. Über Miquel direkt an den Kaiser zu gehen, wagte niemand. Ich hatte, um endlich eine Entscheidung herbeizuführen, mir von der Kaiserin Friedrich als »Honorar« für den Katalog ihrer Sammlungen ihre Unterstützung bei der Durchbringung des Neubaues, für den sie sich selbst von jeher warm interessiert hatte, und zu dessen Ausführung ihr Schützling Ihne auserkoren war, versprechen lassen. Als ich im Winter 1895/96 den Katalog fertig überliefern konnte, und die Kaiserin sehr befriedigt erklärte, sie wisse gar nicht, wie sie mir dafür danken solle, erinnerte ich sie an ihr altes Versprechen. Sie lehnte schroff ab. Von ihrem Sohn wolle und könne sie nichts erbitten, keinesfalls! Alles Bitten half nichts. Doch im Fortgehen sagte mir Graf Seckendorff, ich möge mich beruhigen, heute mittag frühstücke Seine Majestät bei der Kaiserin Friedrich, da würde sie ihn an den Bau erinnern, ich könne mich fest darauf verlassen. Am folgenden Morgen kam der Generaldirektor ganz aufgeregt zu mir in die Galerie: der Bau des Kaiser-Friedrich-Museums sei durchgesetzt und die sofortige Inangriffnahme der Pläne befohlen. Gestern abend bei einem Hoffest habe der Kaiser den Kultusminister und Herrn von Miquel allein in eine Nische gezogen und habe dem letzteren Vorwürfe gemacht, daß er immer noch das Geld verweigere für den Bau, den schon sein Vater als einen der dringendsten, habe in Angriff nehmen wollen. Miquel habe geantwortet, nichts läge ihm ferner als das, aber niemand habe ihm seit Jahren von der Absicht dieses Baues gesprochen. Mit besonderer Freude stelle er sofort jedes gewünschte Geld für den[112] nächsten Etat zur Verfügung. Der Minister habe ganz erstaunt gefragt, woher plötzlich dieser günstige Wind wehe, die Aufklärung konnte ich ihm zuteil werden lassen.

Nun gab es endlich wieder frische, fröhliche Arbeit! Es galt zunächst, die Pläne mit Ihne zu entwerfen. Platz und Baugrund waren die allerungünstigsten: ein unregelmäßiges Dreieck, das an zwei Seiten vom Wasser, an der dritten von der Stadtbahn begrenzt ist. Eine völlige Ausnutzung dieser für unsere Zwecke damals schon kaum genügenden Fläche ließ sich nur dadurch ermöglichen, daß der Eingang von der allein freien Spitze des Dreiecks aus genommen und der Hof in der Mitte als Oberlichthof ausgestaltet und mit zum Aufstellungszweck verwendet wurde. Bei einer so gründlichen Ausnutzung des ganzen Baugrundes erschien mir für die Unterbringung der Gemäldegalerie wie der Originale und Abgüsse der Plastik christlicher Epochen geeigneter Raum vorhanden zu sein, namentlich, nachdem mir die Verwendung des hofartigen Mittelraumes zur Aufstellung der größten Altarwerke, in Bild und Plastik, und die Herrichtung dieses Raumes als Kirchenraum in den Formen der Florentiner Renaissance gelungen war.

Leider wurden noch während des Baues wesentliche Änderungen in der Bestimmung desselben getroffen. Da der Generaldirektor annahm, daß namentlich für die plastische Abteilung der Raum viel zu reichlich von mir bemessen sei, so bestimmte er, daß auch das Münzkabinett und das Kupferstichkabinett im Erdgeschoß mit zur Aufstellung kommen sollten. Nachdem der Bau schon unter Dach war, stellte sich heraus, daß die für das Kupferstichkabinett vorgesehenen Räume zu starkes Reflexlicht hatten, und da inzwischen die Fassade von Mschatta erworben war, für die sich sonst nirgends ein Platz fand, so wurde diese nebst den Anfängen der islamischen Sammlung an Stelle des Kupferstichkabinetts provisorisch im Erd geschoß untergebracht, freilich in sehr ungenügender Weise.

Eine viel empfindlichere Schädigung, namentlich für die Disposition der Räume im Obergeschoß, war die vom[113] Generaldirektor »im Interesse der historischen Abfolge der Galeriesäle« noch während des Baues durchgesetzte Verlegung der Haupttreppe. Diese sollte nach dem ursprünglichen Plan direkt in den Raphael-Tapetensaal führen, der als feierlicher Eingangsraum gedacht war, von dem aus der Beschauer sofort in die Hauptsäle der Galerie gelangt wäre. Statt dessen wurden die beiden Treppenflügel umgedreht, so daß sie jetzt aus dem Bau gleich wieder hinauszuführen scheinen. Dadurch kamen zugleich die hier über dem Eingang geplanten Räume für die Abteilung der deutschen Gemälde in Fortfall, so daß diese in durchaus ungenügender Weise zwischen den Räumen der niederländischen Schulen und im Erdgeschoß zwischen den Skulpturen untergebracht werden mußten.

Die dem Architekten bei der Eröffnung gemachten Vorwürfe über diese Mängel sowie über die unklare Disposition der Ausstellungsräume im Oberstock waren durchaus ungerechtfertigt. Nicht gelungen war es ihm dagegen, den Räumen im Erdgeschoß die nötige Tiefe zu geben, woran freilich in erster Linie der Bauplatz die Schuld trägt, wie er auch in der Ausstat tung, in den Verhältnissen der Bauglieder (die z.B. in der Basilika viel zu kräftig sind) und der architektonischen Details, in der Zeichnung und Farbe der Fußböden, Decken usw. keineswegs eine glückliche Hand bewies, obwohl er dabei unnötigen Luxus getrieben hat. Um den Charakter der Räume den Kunstwerken, die dafür bestimmt waren, möglichst anzupassen, hatte ich in den folgenden Jahren an Türeinrahmungen, einzelnen Decken, Wappen, Gobelins und verschiedenartigen dekorativen Möbeln allerhand, namentlich in Italien, zu beschaffen gesucht und hatte bei Anordnung der Türen in den Oberlichtsälen so viel wie möglich durchgesetzt, daß die Eingangswand nur eine Tür in der Mitte, die gegenüberliegende Wand dagegen zwei Türen an den Seiten (oder umgekehrt) erhielt, damit sich interessante Durchblicke und Ausblicke auf hervorragende Gemälde oder Skulpturen bieten möchten. Meiner Absicht, die Räume nicht zu hoch zu halten,[114] ist der Architekt im Oberstock nachgekommen. Hier sind sogar einzelne Oberlichtsäle entschieden zu niedrig ausgefallen. Im Erdgeschoß wirken sie dagegen meist zu hoch, namentlich erscheinen sie so auf der Schmalseite der Räume. Einzelne Mängel des Baues sind auch durch die Unstimmigkeit zwischen Ernst Ihne, dem Architekten, und dem ausführenden Baumeister Hasak herbeigeführt. Letzterer pflegte darauf loszubauen, ohne sich mit Ihne oder mir in Verbindung zu setzen oder sich viel um die Forderungen unseres Programms zu kümmern. Dadurch sind die Abmessungen verschiedener Räume und die Größen mehrerer Oberlichter verfehlt worden. Als ich mich über diese Vergewaltigung unseres Programms beschwerte, hieß es, das Programm sei leider verlegt, und nach Ablieferung des Baues fand sich, daß die gesamten Bauakten verschwunden waren! Jahrelang ist danach gesucht worden, aber vergebens. Trotzdem konnte ich nicht durchsetzen, daß seitens des Ministeriums eine Untersuchung darüber eingeleitet wurde.

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 2. Band. Berlin 1930, S. 111-115.
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