Die Berufung Bruno Pauls

[183] Rascher noch glückte mir die Berufung von Bruno Paul zum Leiter der Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums. Mit Geheimrat Schmidt war ich im Juli 1906 nach Dresden zur Besichtigung der dortigen deutschen Kunstgewerbeausstellung gefahren, um aus den Arbeiten der dort fast vollständig vertretenen »Raumkünstler« über einen geeigneten Direktor unserer Anstalt womöglich ins klare zu kommen. Unsere Wahl fiel auf Paul, der die Unarten des Jugendstils schon meist abgestreift hatte und uns bei stärkerem Anschluß an ältere Vorbilder doch am eigenartigsten erschien.

Als ich bald darauf zum Vortrag über verschiedene Museumsangelegenheiten nach Wilhelmshöhe befohlen wurde, ersuchte mich der Minister, auch die Berufung Pauls Sr. Majestät in Vorschlag zu bringen. Zufällig war der Reichskanzler, Fürst Bülow, zugegen. Er fragte mich beim Frühstück, was ich vorzutragen hätte und bat dann, da ihn die Angelegenheit interessierte, beim Vortrag assistieren zu dürfen. Die erste Frage, die Dekorierung eines Herrn, an der Althoff sehr gelegen war, übernahm Fürst Bülow gleich selbst. Der Kaiser hörte ruhig zu, erklärte aber schließlich kurz und bündig: »Nein, da wird nichts draus!« Der Reichskanzler überließ dann, stark enttäuscht, die übrigen Angelegenheiten mir allein. Ich brachte nach einigen untergeordneten Fragen, denen Se. Majestät zustimmte, in großer Besorgnis die Unterrichtsanstalt vor. Ich erzählte, daß wir uns in Dresden und sonst noch umgesehen hätten und nur einen anscheinend recht geeigneten Kandidaten gefunden hätten, dieser sei aber leider ganz unmöglich. »Wieso?« fragte der Kaiser. Ich sagte darauf ganz offen, der Kandidat sei Bruno Paul, Mitarbeiter am »Simplizissimus«, in[183] dem er schlechte und oft recht rohe Witze auf Se. Majestät illustriert hätte. »Was tut das zur Sache?« war die Antwort, »deshalb kann er doch ein sehr tüchtiger Mann und ausgezeichneter Lehrer sein. Ich kenne außerdem den ›Simplizissimus‹ nicht und will ihn auch nicht kennenlernen. Machen Sie also getrost Ihren Antrag; ich werde mich dann darüber nach Ihrer Motivierung entscheiden.« Bald darauf wurde Bruno Paul zum Direktor der Unterrichtsanstalt berufen.

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 2. Band. Berlin 1930, S. 183-184.
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