Ferien in Langenstein

[196] Bei dem Besuch bei Althoff in Schierke hatte ich, da ich vom Bahnhof zum Hotel zu Fuß herabgeklettert war, meine kranken Venen so in Aufruhr gebracht, daß ich mich am nächsten Tage kaum rühren konnte. Als ich dann von Schierke über Blankenburg zum Besuch meiner Verwandten nach Langenstein fuhr, verschlimmerte sich mein Zustand derart, daß ich mich sofort legen mußte. Einige Tage völliger Ruhe und sorgsamster[196] Pflege verhinderten jedoch eine neue Thrombose. Ich blieb noch eine Woche in Langenstein und erholte mich bei völliger Ruhe in der schönen Landschaft und unter den lieben Verwandten rasch und gründlich. In dem gastfreien Hause meiner Schwägerin Anna Rimpau habe ich seither fast jeden Sommer ein paar Wochen zubringen dürfen. In der herrlichen Natur, die mir seit Kindheit zur anderen Heimat geworden war, in dem schönen Landschloß und unter dessen alten Bildern, die ich selbst etwa dreißig Jahre früher aufgehängt und katalogisiert, zum Teil auch angeschafft hatte, in dem Verkehr mit lauter sympathischen Menschen, denen ich meist von ihrer Kindheit an ganz nahegestanden habe, und wo die Gäste, welche ab und zu gingen, meist auch gute Bekannte aus meiner Jugendzeit waren, fühlte ich mich so wohl, daß mir diese Wochen immer die schönste, gewöhnlich auch die einzige Erholung im Jahre gewesen sind. Hier in der Ruhe, in der Erinnerung an die glückliche Jugend, entstand auch der Plan zu diesen Lebenserinnerungen, und hier sind sie, da mir in der Hast und Last der Geschäfte meiner Stellung sonst die Muße und Sammlung dazu fehlte, bei dem Aufenthalt in den letzten drei oder vier Jahren niedergeschrieben worden.

»Die einzige Erholung«, sagte ich, ich hätte hinzufügen müssen: außer der alljährlichen Reise nach Italien, die mir nach wie vor unentbehrlich war und stets neuen Genuß verschaffte. Auch vom Kunsthistorischen Kongreß hatte ich einen kleinen Ausflug nach Italien gemacht, namentlich, um die Retrospektive Ausstellung in Perugia zu sehen. Den Weg hatte ich über Straßburg nach Colmar genommen, um die Grünewalds einmal wiederzusehen und hatte dabei in Straßburg mit dem jungen Bürgermeister Dr. Schwander, Backs Nachfolger, eine Konferenz über die geplante Restauration des alten Schlosses verabredet, die schon wenige Wochen darauf unter Teilnahme der Pariser Herren Mettmann und Hoentschel, beide geborene Elsässer, stattfand. Die Restauration der alten Staatsräume durch Hoentschel wurde in Aussicht genommen, ist[197] aber leider, wegen der hohen Kosten, bisher nicht zur Ausführung gekommen.

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 2. Band. Berlin 1930, S. 196-198.
Lizenz:
Kategorien: