Widerstände gegen Ankäufe

[204] Den ersten Anstoß zu einer eifersüchtigen und unfreundlichen Stellungnahme gegen unsere Museen, insbesondere gegen mich persönlich, hatten die gehässigen Angriffe von Professor Voll gegeben, während wir bis dahin mit den Münchener Kollegen stets auf freundschaftlichem Fuße verkehrt hatten und uns gegenseitig behilflich gewesen waren. Voll, den die Auswanderung der Kunstwerke nach Amerika nicht im geringsten bekümmerte, hatte es verstanden, die Erwerbungen für die Berliner Museen bei Münchener Kunsthändlern als Raub an Bayern zu brandmarken. Als wir im Winter 1907/08 von einem Berliner Besitzer die Fragmente eines von ihm unter seinem Würzburger Hause aufgedeckten, leihweise im Museum in Würzburg ausgestellten Kreuzganges (die Hälfte der Außenwand von einem der vier Umgänge) erwarben, benutzte Voll diese Gelegenheit zu neuen Angriffen und hatte den Erfolg, daß ihm von allen Seiten, namentlich gerade von Berlin aus, energisch sekundiert wurde, vorgeblich aus Rücksicht auf den Denkmalschutz, in Wahrheit aber, um mir persönlich Schwierigkeiten zu machen.

Daß unser Deutsches Museum der Hauptstadt Anrecht auf die Erwerbung deutscher Kunstdenkmäler im Handel[204] habe, daß ich als Direktor zu ihrem Ankauf verpflichtet sei, daß Messel, der die Erwerbung möglichst zahlreicher Dekorationsstücke der Zeit für das Deutsche Museum dringend wünschte, um den Innenräumen mehr Stilcharakter zu geben, gerade den Ankauf dieses Kreuzgangs vor allem für notwendig hielt, daß der Kreuzgang Eigentum eines Berliners war, und daß die Stadt Würzburg gar nicht an den Erwerb gedacht, den Eigentümer sogar schlecht behandelt hatte: alles dies hinderte die Presse nicht, sich in fanatischem Lärm über die Schändung des »Lusamgärtleins«, in dem Walter von der Vogelweide bestattet worden sei, zu ergehen. Trotzdem waren wir in der Verhandlung mit der Stadt Würzburg bald zu einer Einigung gekommen, zumal sie nicht daran dachte, den von uns gezahlten Preis von 75000 Mark für den Kreuzgang anzulegen. Da hielt sich der Minister von Wehner, der bei seiner eigenen Partei einer Stärkung bedurfte, für verpflichtet, nach Würzburg zu reisen, um den städtischen Behörden Vorwürfe über ihren »Mangel an Patriotismus« zu machen und den Widerstand von neuem anzufachen. Gleichzeitig wußte der bayerische Gesandte in Berlin auf unsere Minister, die damals rasch wechselten, immer von neuem einzuwirken.

Als ich sah, daß die Herausgabe zu großen Schwierigkeiten führen könnte, sah ich mich unter der Hand nach einem ähnlichen Stück als Ersatz um. Ich erinnerte mich der Reste eines romanischen Kreuzganges auf dem Gute eines Verwandten in der Nähe von Halberstadt, die dort im Garten zerstreut zur Dekoration verwendet waren und allmählich verkommen mußten. Der Eigentümer, Rittergutsbesitzer F. Hahn, war so großmütig, sie den Museen für den Neubau zu stiften, so daß wir an der Hauptwand des romanischen Saales, statt des Würzbürger Kreuzganges, in ganz ähnlicher Anordnung diesen Rest des gleichzeitigen Kreuzganges der Kirche Huyseburg zur Aufstellung bringen können. Mit den Hauptstücken, welche diesen Raum schmücken werden, der Tribuna aus Kloster Gröningen und den Figuren eines Triumphkreuzes aus Naumburg, geht diese fast gleichzeitige Arbeit der gleichen sächsischen Kunst[205] sogar noch besser zusammen. Dadurch ist es mir gerade möglich geworden, ohne Schaden für unsere Museen, auf Rückgabe des Würzburger Kreuzganges, gegen den uns von der bayerischen Regierung ein gotischer Altar aus Mölln und ein paar andere Holzfiguren in Tausch gegeben wurde, einzugehen. Erfreulich war aber dieser ganze Kampf, der durch beinahe sechs Jahre geführt wurde, wahrlich nicht.

Wie sehr uns jede Vermehrung unserer Sammlungen nicht nur im Auslande, sondern seit langem schon vor allem im Inlande erschwert wurde und immer noch erschwert wird, ja, wie uns die Provinzen alte Erwerbungen wieder abspenstig zu machen suchen, dafür hatte ich gerade damals wieder einen eklatanten Beweis. Im Sommer 1908 war in Soest zur Jahrtausendfeier der Stadtgründung eine Ausstellung. Auf Wunsch des Komitees hatten wir den Patroklusschrein zur Ausstellung geschickt, als mir vertraulich mitgeteilt wurde, daß gelegentlich der Kaisermanöver in Westfalen der Kaiser die Ausstellung besuchen würde, und daß er dabei vom Landrat mit der Bitte überrumpelt werden solle, den Silberschrein wieder an die Stadt Soest zurückzugeben. Ich konnte von dieser Absicht dem Kaiser noch rechtzeitig Mitteilung machen und ihm dabei berichten, daß die Kgl. Museen den Schrein im Jahre 1848 von der Kgl. Münze, der er zum Einschmelzen gesandt war, um den Silberwert käuflich erworben hatten. Wie einige Jahre früher bei der Attacke auf unseren Botticelli aus der Raczynskischen Galerie von seiten des Oberpräsidenten von Posen, so hat Kaiser Wilhelm auch hier die Rechte unserer Museen energisch zu wahren gewußt.

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 2. Band. Berlin 1930, S. 204-206.
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