Erwerbung der Anbetung der Könige von Hugo van der Goes

[232] Zur Winter Exhibition war ich, wie meist, auch 1910 im Februar nach London gefahren. Hier wurde mir durch den dänischen Maler, Willy Grétor, den ich schon vor Jahren in Paris kennengelernt hatte, das Altargemälde von Hugo van der Goes in Monforte zum Kauf angeboten. Ich war schon früher durch Professor Georges Hulin in Gent darauf hingewiesen,[232] hatte aber noch keine Beziehungen gefunden, durch die ich eine so schwierige Erwerbung an einem so entlegenen Ort für aussichtsvoll halten konnte. Auch hatte ich erfahren, daß die Forderung für das Bild, das einige Zeit vorher der spanischen Regierung (angeblich um 3600 Pesetas) angeboten worden sein soll, durch die Bemühungen einiger spanischer marchands-amateurs, die es in London und Paris ausboten, bereits auf etwa eine halbe Million Pesetas heraufgetrieben sei. Grétor, der durch den Londoner Antiquar L. Harris, den Inhaber der Spanish Art Gallery, über den Handel orientiert war, machte sich anheischig, das Bild gegen alle Konkurrenz für uns zu erwerben. Obgleich ich Grétor wegen seiner krankhaft nervösen Art und Abenteurerlust als Vermittler fürchten mußte, wußte ich doch andererseits, daß er sich mit einem Eifer und einer Auf opferung, wie kein anderer, der Sache annehmen würde. Auch hatte er uns zuerst das Bild ernstlich angeboten und erklärte im Falle unserer Ablehnung den Kauf für Dritte machen zu wollen. Ich gab ihm also den Auftrag, nachdem Dr. Friedländer das Bild an Ort und Stelle geprüft und für eines der bedeutendsten und schönsten Werke der altniederländischen Schule erklärt hatte. Grétor ging nach Madrid; in der Versteigerung, zu der die spanische Regierung die Erlaubnis gegeben hatte, und die nach langem Zögern endlich Ende Mai 1911 stattfand, erlangte Grétor den Zuschlag, freilich für beinahe die doppelte Summe, auf die wir vorbereitet waren. Etwa 950000 Mark! Im Einverständnis mit dem Minister Graf Romanones machte sich Grétor auf den Weg, um das Bild von Monforte abzuholen.

Als er das Gemälde eben abgenommen hatte und dabei war, es einzupacken, erschien ein Piquet von 24 Gendarmen mit geladenen Gewehren: der telegraphische Befehl des Ministers sei soeben eingetroffen, daß das Bild sofort wieder aufgestellt werden solle. Tags vorher war das Ministerium gestürzt, Romanones war Kammerpräsident und der Redakteur einer liberalen Zeitung Kultusminister geworden. Gleichzeitig wurde über den Verkauf in liberalen Zeitungen[233] auf Veranlassung dieses neuen Ministers und französischer Agenten ein patriotischer Entrüstungssturm inszeniert. Grétor sandte telegraphische Proteste an den Minister und an unsere Botschaft. Vergeblich, er mußte zunächst ohne Bild nach Madrid zurückkommen, wo er Himmel und Hölle in unserem Interesse in Bewegung setzte. Der Botschaftsrat, der den abwesenden Botschafter, Prinz Ratibor, vertrat, hatte für die Situation kein Verständnis. Er erkannte nicht, daß durch diese brutale Einmischung der Regierung in ein Privatgeschäft (ganz abgesehen davon, daß die offizielle Zustimmung gegeben war) die Angelegenheit eine staatsrechtliche geworden war und daher sofort zu unseren Gunsten hätte entschieden werden müssen. Er suchte daher nicht durch politischen Druck, sondern »amichevolmente« die Lösung herbeizuführen. Obgleich Grétor persönlich die Zustimmung des Patrons, des Herzogs von Alba, zu erlangen und durch allerlei kleine Mittel einflußreiche Persönlichkeiten zu gewinnen wußte, verstand es die spanische Regierung, die Entscheidung durch allerlei Winkelzüge und Verzögerungen jahrelang hinzuziehen, auch nachdem sie Ende 1912 nach Rückkehr des Grafen Romanones schließlich ihren Widerspruch zurückgezogen hatte.

Endlich im Dezember 1913 traf die Zustimmung der spanischen Regierung ein, und am ersten Weihnachtstage war das Bild, das Direktor Friedländer unter großen Schwierigkeiten aus Monforte zur See überführt hatte, in der Galerie, in der es allseitige Be wunderung erregte. Fast gleichzeitig mit dem Goes zog auch ein hervorragendes großes Werk des alten Peter Brueghel in unsere Galerie ein, die »Hundert Sprüchwörter«, durch das wieder eine empfindliche Lücke in unserer Sammlung ausgefüllt wurde.

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 2. Band. Berlin 1930, S. 232-234.
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