Die Bilder aus der Mark und die Gründung der Berliner Secession

[51] Wir sahen, daß Leistikow in seinen dekorativen Schilderungen hauptsächlich durch nordische Motive angeregt wurde. In der Mark Brandenburg berührte er dann gewissermaßen mit seinen Füßen wieder den wirklichen Boden, und so kam er nach einiger Zeit auf die naturalistische Auffassung der Natur zurück. Ihm gingen plötzlich die Augen auf über die herbe Schönheit der märkischen Wälder und Seen. Der melancholische Reiz, der in den Kieferwaldungen liegt, wie sich die dunklen Wipfel knorrig gegen die wehenden Wolken absetzen und zu Füßen sich in schwarzen Dümpeln spiegeln, hat Leistikow verstanden wiederzugeben wie kein anderer. Er ist für die Welt zum Dolmetsch dieser spröden Natur geworden. Nicht als ob er überhaupt zuerst diese Motive gefunden hätte, aber seine Bilder zwangen zuerst vor allen andern Künstler und Laien zur Bewunderung. Man nannte ihn den Maler der Mark Brandenburg.

In der letzten Ausstellung der XI – dieser Verein bestand bis 1897 – hatte er zwei derartige Bilder ausgestellt, die ihm den ersten unumschränkten Erfolg einbrachten. Das eine stellte dar, wie die letzten Sonnenstrahlen noch die Föhren auf kurze Zeit mit rotem Schein beleuchten, ehe die Dunkelheit sie umhüllt. Dieses Bild erwarb für seine Sammlung Herr von der Heydt. Das andere – nebst der Ziegelei an Umfang seine größten – zeigte[51] dichte Kiefernkronen von der Nachmittagssonne durchglüht, vorne säumen junge, helle Birken den Wald ein und das Ganze spiegelt sich in einer glatten, stillen Wasserfläche; dieses Gemälde kam in den Besitz der Magdeburger Galerie. Von seiner dekorativen Epoche behielt er die breite Flächenwirkung bei, er verstand aber dabei auch die Tonwerte, die von Luft und Licht abhängig sind, zu kultivieren. Er ist durch diese selbständige Behandlung weit entfernt der Manier, der prickelnden, mosaikartig aneinander gereihten Fleckenwirkung, der französischen Impressionisten zu ähneln. Für die große Ausstellung am Lehrter Bahnhof 1898 hatte er wieder ein umfangreiches Werk dieser Art eingeschickt: Schwarze Föhren mit einem Weg am Rande des Wassers, fliegende, vom Abendrot gefärbte Wolken darüber. Er hatte viel Hoffnung auf dieses Bild gesetzt und – es wurde refüsiert. Dieser Mißerfolg wurde die Ursache zur Gründung der Secession. Zunächst kaufte Rittergutsbesitzer Richard Israel das schöne Bild und schenkte es der Nationalgalerie, zu deren Perlen diese Schöpfung seither gezählt wird. Viele Jahre später wurde diesem Werke eine abfällige Kritik des Kaisers zuteil. Als nämlich Tschudi durch die Erwerbungen französischer impressionistischer Bilder für die Nationalgalerie den Allerhöchsten Unwillen Seiner Majestät zu hören bekam, glaubte er sich einigermaßen rehabilitieren zu können, wenn er den Kaiser vor dieses allgemein verständliche Bild Leistikows führen würde. Aber gerade das Gegenteil trat ein: Seine Majestät belehrte ihn sehr ungnädig, daß in diesem Bilde nicht die geringste Naturwahrheit wäre: »Er kenne den Grunewald und außerdem wäre Er Jäger.« Zu jener Zeit aber sah Leistikow klar ein, daß für ihn Vorteile und Erfolge in den Ausstellungen am Lehrter Bahnhof nie zu erringen waren. Deshalb setzte er alle Mittel, die ihm sein reicher Verstand bot, in Bewegung, um außer den Elfen des Vereins eine größereGruppe jüngerer Künstler zur Trennung von der großen Korporation zu bewegen, um einen eignen Verein mit eigner alljährlicher Ausstellung zu bilden. Die modernsten Künstler Berlins folgten diesem Aufruf und im Jahre 1898 wurde die Berliner Secession gegründet. Als Präsident wurde in Professor Max Liebermann der geeignetste Mann gewählt.

Es ist Leistikows unbestrittenes Verdienst, den Stein ins Rollen gebracht zu haben; aber noch mehr Ehre hat er sich erworben, daß durch seine kluge Art die Berliner Secession auch lebensfähig geblieben ist, denn außer der Münchner Secession sind alle ähnlichen Unternehmungen in den anderen Hauptstädten Deutschlands, so schnell sie entstanden, ebenso schnell auch verschwunden.

1899 war die erste Secessions-Ausstellung im eigenen Gebäude in der Kantstraße am Theater des Westens. Das possierliche kleine Haus, das allen Vorübergehenden ein komisches Lächeln abgewann,[54] war in letzter Stunde kaum vor der Eröffnung mit Mühe fertiggestellt worden. Die Wände waren natürlich noch so feucht, daß die Bilder – um sie vor Schaden zu bewahren – jeden Abend abgehängt und jeden Morgen neu aufgehängt werden mußten. War nun wohl viel Mühe dabei, auch manche Verrechnung, so war doch Freude das weit größere Teil an dem jungen Unternehmen. War man doch sein eigener Herr in seinen vier Wänden; jetzt konnte man in Taten umsetzen, was man früher in Worten gepredigt. Leibl und Böcklin wurden als die größten Deutschen durch ihre bedeutendsten Schöpfungen hier ausgestellt und zu den ersten Ehrenmitgliedern ernannt; ebenso stellten sofort Thoma und Uhde aus, nur Menzel wollte unbehelligt sein und verbat sich in fauchenden Worten die Ausstellung irgend eines seiner Werke. Max Liebermann errang jetzt zuerst seine ganze Bedeutung, nachdem er bereits vor etwa drei Jahren durch eine Kollektiv-Ausstellung am Lehrter Bahnhof ebenso wie Leibl die große Medaille, den Professortitel und die Mitgliedschaft der Berliner Akademie erhalten hatte.

Leistikow und der Geschäftsführer, der junge Kunsthändler Paul Cassirer, gingen aber noch weiter. Sie brachten nun zuerst die teils verpönten, teils unbekannten modernen Künstler des Auslandes dem Publikum vor Augen: Manet und Monet, die bereits berühmten Pariser; der bis dahin unbekannte Cézanne, welcher in Paris plötzlich noch lebend zur größten Anerkennung ausgegraben worden war und Gauguin, in dem man nun das Vorbild des früher umstrittenen Norwegers Munch erkannte; ferner einen Holländer, von dem noch nie irgend einer ein Sterbenswörtchen gehört hatte: van Gogh. Selbst Cassirer hatte ihn noch nickt gekannt; Leistikow hatte von ihm Werke in Kopenhagen gesehen und eine Seelenverwandtschaft mit sich selbst in ihm gefunden. So fremd und unmöglich mir das[55] zuerst klang, so muß ich doch gestehen nach längerem Betrachten beider Werke, daß er nicht Unrecht gehabt hat. Die van Goghschen Bilder verblüfften ganz Berlin zuerst in solcher Weise, daß überall ironisches Gelächter und Achselzucken war. Aber die Secession brachte alljährlich immer wieder neue Werke von diesem Holländer, und heute wird ein »van Gogh« zu den besten und teuersten gezählt, während man zu Lebzeiten des Malers seine schönsten Werke für ein Butterbrot hätte haben können. Aber nicht allein diese Ausländer kamen in den Aus stellungen der Berliner Secession zur Geltung, sondern auch bis dahin unverstandene deutsche Künstler: Max Slevogt, Breyer, Baluschek, Brandenburg; ich selbst habe der Secession für Geltungmachen meiner Art zu danken. Aber noch weiter geht die Wirkung dieser Leistikowschen Gründung: die Stadt Berlin wurde immer mehr Kunststadt, dieser frische Kampf machte die Bewohner der Stadt zuerst auf die bildende Kunst aufmerksam, sie nahmen Partei für und wider die Secession, der Lehrter Bahnhof selbst, bis dahin eine Einrichtung zugunsten alter treuer »Nummern« erwachte aus seiner Letargie und mußte nolens volens sich gegen diese gefährliche Konkurrenz wehren, indem dort ebenfalls begabte Neuerer mehr zur Geltung kamen und indem sie auch die moderne ausländische Richtung in ihren Sälen beherbergen mußten.

Der reaktionäre Schultesche Kunstsalon wurde durch das Vorgehen Paul Cassirers angeregt, ebenfalls frischeres Leben in seine Räume zu bringen und Paul Cassirer selbst brachte in seinem kleinen Salon die schönsten modernen Werke zur Ausstellung, die man nur hier und sonst nirgends in Deutschland zu sehen bekam. Ich erinnere nur an die ersten Kollektionen Manets mit dem Déjeuner sur l'herbe, dem bon bock etc., Monets Picknick und Landschaften, die Pastelle und Gemälde von Degas, die Renoirs, darunter »Die Loge«, die Courbets, Daumiers, van Goghs und viele andere mehr. Alles Bilder, die man heute fast überall kennt, weil sie allmählich auch nach Dresden, München und andere große Städte von Kunsthändlern übernommen werden mußten, aber zu der Zeit, wie gesagt, vollständig neu waren.

Leistikow war der rührigste, wenn es galt, zum Besten der Secession zu handeln. Er wußte auf den Präsidenten Max Liebermann einzugehen, er verstand es mit seltenem Geschick, die Reichen zu interessieren, Geld für das secessionistische Unternehmen hineinzustecken. Er ermutigte Künstler, indem er sich Mühe gab, ihre Bilder an ihm befreundete Mäzene zu verkaufen. Ihn selbst hatte das Schicksal in dieser Epoche mit dem hellsten Sonnenschein des Glücks bedacht. Seine Bilder gefielen allenthalben; Galerien erwarben sie. In der Nationalgalerie, in den Museen von Dresden, Leipzig, Magdeburg, Krefeld ist er vertreten. Auch die Besitzer von Privatgalerien erwarben viele seiner Bilder. Diese Privatgalerien waren Schöpfungen reicher Kaufleute. Als die Industrie nie geahnte Reichtümer nach Berlin brachte, wurde ein Teil dieses Gewinnes zu diesen kunstfreundlichen Gründungen von den glücklichen Besitzern des Geldes verwendet.

Während früher höchstens ein Meissonier nebst den obligaten Porträts von Richter oder Gussow an der Wand prangten, füllten sich jetzt die Räume mit französischen Impressionisten: Millet, Manet, Monet, Renoir, Degas, Daumier etc., auch ein gut Teil moderner Deutscher fanden Platz: Menzel, Uhde, Thoma, Liebermann, Trübner etc. Ich erinnere an die Galerien von Arnhold, Rosenberg, Stern. In all diesen Sammlungen sind ebenfalls viele Bilder von Leistikow. Selbst in den zeitgenössischen Romanen spielten Leistikowsche Bilder eine große Rolle, sobald ein eleganter, geschmackvoller Salon Berlins charakteristisch geschildert sein sollte.[58] Die liebenswürdige Persönlichkeit Leistikows, unterstützt von dem fremdländischen Charme seiner geistvollen dänischen Gattin, erwarb sich eine große Zahl wertvoller Freunde. Ein solcher Freund war der Bankier Felix Königs, der liebenswerteste Mensch unter vielen, dessen Sammlung nach seinem Tode zum größten Teil von seinen Erben der Nationalgalerie als Schenkung überlassen wurde; kostbare Werke waren darunter: ein Begräbnis von Segantini, eine Marmorgruppe von Rodin und die Amphitrite von Max Klinger. Ein anderer Gönner Leistikows war Herr Generalkonsul H. Rosenberg. Dieser überließ ihm mehrere Jahre lang eine kleine improvisierte Holzvilla mit wundervoll großem Garten an einem Grunewaldsee gelegen als Sommerwohnung. Hier schuf Leistikow reizendekleine Bilder, worin die herbstsonnenbeschienenen Kiefernstämme des Gartens mit dem transparent dunkelrot durchschienenen, umrankten[59] Weinlaub eine Rolle spielten; oft ist auch das kleine, ebenfalls weinumlaubte Blockhaus der Mittelpunkt des Motives. Eines seiner bedeutendsten Bilder ist ebenfalls hier gemalt und sofort in den Besitz seines Gönners übergegangen: eine Abenddämmerung mit dunklen Kiefernstämmen, dunklem Himmel und Wasser, im Mittelgrunde ein weißes Haus.

Auch gesellschaftlich verlebte man hier eine schöne Zeit: Gerhart Hauptmann wohnte ebenfalls im Grunewald, und oft waren wir teils bei Leistikow, teils in seiner Wohnung versammelt, wo der Dichter dann Szenen aus dem armen Heinrich vorlas, den er gerade in Arbeit hatte. Manchesmal warf Hauptmann mißmutig das Manuskript fort, weil sein Sekretär eigne dichterische Gedanken in die Zeilen eingeschmuggelt hatte. Nachdem dann unter Lachen und Schimpfen das Original wiederhergestellt ward, ging die Vorlesung weiter.

Der Leistikowsche Glücksstern schien immer heller: Bei einer Kollektivausstellung bei Keller und Reiner hatte er vollkommen ausverkauft. »Ich wate im Gelde«, schrieb er mir zu jener Zeit und zugleich riet er mir, ebenfalls von München nach Berlin überzusiedeln. Er konnte jetzt seine Familie, wo früher gar oft Junker Schmalhans Küchenmeister gewesen war, mit jenem gediegenen Luxus umgeben, den eine feste, gewinnreiche Position, überwacht von klarem Verstande, gestattet. Ebenso wie er und Frau Leistikow als Geladene in jeder Gesellschaft die Zierden und Lieblinge waren, so waren auch alle von ihnen Geladenen entzückt, bei ihnen zu verkehren. Zwar war seine Wohnung noch bis 1900 bescheiden genug. Sie war im Hansaviertel und bestand aus einem größeren Atelier, einem kleineren Oberlichtatelier, das noch in erster Zeit die Unterrichtsstätte für seine Schülerinnen war, und aus einigen kleinen Zimmerchen.[60]

Das große Atelier diente abends als Empfangssalon, als Speisesaal und Gesellschaftsraum.

Hier waren die ersten Geister Berlins vereint: Neben Tschudi war Liebermann und Skarbina, die Skandinaven Zorn, Munch und der Schriftsteller Geijerstam; ferner die Freunde Ibsens, Dr. Julius Elias und der Theaterdirektor Dr. Brahm; der Schauspieler Rittner und Gerhart Hauptmann, beide dem Leistikow besonders befreundet, Max Halbe und Otto Erich Hartleben; der Verleger S. Fischer, der Begründer der Zeitschrift »Freie Bühne« und Hauptverleger aller jungen modernen Dichter; auch der Sonderling Peter Hille mit dem Kindergemüt und viele andere mehr.

Als Künstler war aber Leistikow kein eingeschworener Spezialist. Wenn ihm auch die Grunewaldbilder am besten »lagen«, so trieb ihn doch sein Talent und seine Reisen zu allen Jahreszeiten auch andere Bildermotive zu malen. Überall wo er sich sonst aufhielt – auch später während seiner Krankheitszeit – brachte er stets reiche Ausbeute in Gemälden und Aquarellen nach Hause. Seine Fahrten erstreckten sich nach Dänemark und Skandinavien, wo er sehr schöne Bilder gemalt hat, z.B. das weiße niedrige Gartenhaus unter dickstämmigen Walnußbäumen versteckt; ferner eine weiße[62] Gartenpforte mit schwergrünem Laub dahinter. Diese beiden Bilder rechne ich unter seine besten. In Schweden hat er dann Höhenzüge und Wasserspiegelungen, in der harten, dünnen Atmosphäre, wie sie dort charakteristisch ist, geschildert. Nach Süden ist er bis Florenz gekommen, über München, wo wir wieder schöne Tage miteinander verlebten. Stets begleitete ihn auf diesen Reisen seine Frau und seine kleine Tochter Gerda. Aber künstlerisch wüßte ich von dieser Südreise außer einigen Pastellen aus der Umgegend von Florenz nichts zu nennen. Paris, die Sehnsucht aller deutschen Künstler, hat er in dieser Zeit ebenfalls auf kurze Zeit besucht. In dem Walde von Fontainebleau mietete er mit seiner Frau für einige Tage ein Fuhrwerk. Auf diese bequeme Art suchten sie dann die Orte auf, die durch den Aufenthalt und die Arbeiten der großen Landschafter Rousseau, Daubigny, Millet und Diaz weltberühmt geworden sind. Ich entsinne mich als Frucht dieser Reise eines größeren Waldinneren mit dickstämmigen bemoosten Buchen, die von Sonnenstrahlen durchleuchtet waren.

Dann trieb es ihn wieder, längere Zeit in dem Grunewald zu verweilen und dort neue Motive zu malen. Eines der bedeutendsten Gemälde war »Die blaue Brücke«, die von Herrn Guttmann, dem ersten Besitzer, nach Leistikows Tode der Stadt Charlottenburg geschenkt worden ist.

Um die Wende des Jahrhunderts waren wir einen Monat in Dänemark zusammen. Von Kopenhagen fuhren wir nach Skotsburg, um in mondhellen Nächten durch die Buchenwälder am Strande zu schwärmen. Dann fuhren wir nach Agger an der westlichen Küste Jütlands, wo die Nordsee mit großen Wogen den Strand peitscht. Das war nun lustig, in dem einzigen größeren Gasthaus zu wohnen. Die ganze Wirtschaft war von Gerichts wegen unter Kuratel gestellt, deshalb war es dem Wirt[63] ziemlich gleichgültig, wieviel Whisky oder Aquavit er für weniges Geld verschenkte, sogar eine Flasche fraglichen Sektes fand sich vor, als wir meinen Geburtstag begießen wollten. Hier malte Leistikow mehrere Strandbilder: Die brandenden Wellen am Strande, meistens in Abend- und Mondbeleuchtung; ferner Fischerhäuser in den Dünen. In demselben Herbst bezog er eine größere Wohnung am Steinplatz in Charlottenburg, da er mir die seinige überlassen hatte. Ich hatte mich endlich entschlossen, auf seinen Rat nun auch in Berlin zu leben.

Diese Zeiten, noch über 1900 hinüber, waren Leistikows glücklichsten. Überall geliebt und geachtet, in wohlhabender Stellung, seine Familie mit ihm in schönster Eintracht, so hatte er für sich fast nichts Besseres mehr zu wünschen. Seine Schöpfung, die Secession, stand in glücklichster Blüte. Die meisten Mitglieder konnten sich an Verkäufen erfreuen, die ausgestellten Bilder galten als die interessantesten unter allen auch in anderen Ausstellungenund finanziell waren in wenigen Jahren die Summen, welche reiche Gönner – hauptsächlich auf Anregung Leistikows – der Secession vorgestreckt hatten, vollständig zurückgezahlt. Er war fünfunddreißig Jahre alt, seine hohe – wenn auch sehr hagere – Figur mit dem flächig zugeschnittenen Kopf, in dem blaue, kluge Augen hinter dem Zwicker leuchteten, eine stark profilierte, gerade Nase und ein kräftiges Kinn von Selbstbewußtsein und Willensstärke zeugten, während die breite Stirn den Verstand und das Talent barg, erweckte überall, wohin er auch kam, Sympathie und freundschaftliches Interesse. Welche verheißungsvolle Zukunft mußte dieser glückstrahlenden Gegenwart nach allgemein menschlicher Berechnung folgen.

Aber das Schicksal hatte es anders im Sinne, bald sollten sich schwarze Schleier über den Glanz des Glücks und der Freude verdunkelnd heruntersenken und Jahre der Schmerzen und Qualen sollten seinen heiteren Lebensweg in einen dornenvollen Leidenspfad umwandeln.

Im Jahre 1903 erhielt er in Düsseldorf die ersten Anzeichen, daß er derselben Krankheit anheimgefallen war, die auch Manet und den Dichter Heinrich Heine nach qualvollen Jahren zum Tode geführt hatte.[66]

Quelle:
Corinth, Lovis: Das Leben Walter Leistikows. Berlin: Bruno Cassirer, 1910, S. 51-67.
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