Leistikows Aquarell- und Pastellmalerei

[83] Bisher habe ich von Leistikows Ölmalereien geschrieben, aber er hat sich sein ganzes Leben lang beschäftigt, die Kunst in allen Ausdrucksarten auszuüben. Als Aquarellist ist ihm meines Wissens kein deutscher Maler an die Seite zu stellen, soweit es sich um Landschaftsmotive handelt; seine Aquarelle sind ebenbürtig seinen Gemälden. Die Kontrolle und Beschreibung aller seiner Wasserfarben-Malereien ist unmöglich, da sie schier unzählbar sind. Eine besondere Vorliebe hatte er stets für diese Malart; ist doch das Erstlingsbild und das Einzige, was aus seiner ersten Jugendzeit noch erhalten ist, ein Aquarell. Wie er hier im kleinen und in ungeschickter Weise die Farben behandelt, teilweise mit aufgedecktem Weiß, so hat er diese Malerei auch später behandelt. Seine Art war weder ein reines Aquarell, wo der Papierton als hellstes Licht stehen bleibt und jedes Deckweis verpönt ist, noch eine Gouachemalerei im Sinne Menzels; er brauchte das Deckweiß, wo es ihm nötig schien und setzte daneben ohne Bedenken die transparenten klaren Wasserfarben. Aus der Gude-Epoche sind bereits solche Bilder, dann hat er ganze Serien gemalt an den Havelseen (Schilf, spiegelnden Wald und gekräuselte Wellen). In der Zeit der Vereinigung der XI sind dann Strandstudien der Ostsee, und berühmt war zu jener Zeit eine Brandungswelle, in welcher sich die untergehende Sonne spiegelte. Auch fliegende Reiher hat er geschildert im Anschluß seiner dekorativen Kunstperiode. Überhaupt laufen die Motive mit[83] denen der Bilder gleich, wenigstens parallel, denn, was ihn in der Ölmalerei dieselbe Zeit interessierte, war ihm auch interessant für diese Technik und für das Pastell.

Aber am bedeutendsten als Aquarellist – ja, er übertraf sich selbst als solcher – wurde er in seiner Krankheitszeit. Hier wurde ihm das leichtere Material handlicher, um seine Empfindungen auszudrücken. Die Ölmalerei in freier Natur verlangt Staffelei, schweren, großen Malkasten und schweren Keilrahmen mit Leinwand, daher ein gewisser Kräfteaufwand notwendig ist, während bei der Aquarellmalerei ein kleiner, schmaler Blechkasten für die Farben und ein Karton mit Papier genügt. So schuf er denn in allen Kurorten in dieser Art die schönsten Werke. In Gastein malte er die schwarzen Bergkegel der österreichischen Alpen; in Meran, wohin er viele Jahre hindurch immer wieder hinkam, war seine Ausbeute besonders reich. Ebensowie er dort die herbstlichen Weinberge in Gemälden schilderte, malte er sie noch öfters in Aquarell, ferner Wege, die an hohen, grauen Mauern vorüberführen, alte Bäume mit mächtigen Kronen, grüne Vorgebirge und Gletscher. Auch zu seinen vier letzten Ölbildern gehören letzte Aquarellen, die dieselben Motive haben. Geradezu wundervoll sind seine Schneeschilderungen in Aquarell; diese gehören zu dem Schönsten, was ich überhaupt an Bildern gesehen habe. Es sind etwa drei oder vier Stück, die er aus der Villa Gerhart Hauptmanns im Riesengebirge, wo er auf Besuch war, geschaffen hat. Der ganze Charakter des Winters und zugleich der Höhenlage des Landes ist hier mit den einfachsten Mitteln mit hinreißendster Wirkung wiedergegeben. Auf ähnlicher Stufe, aber weniger hoch, steht Leistikow als Pastellist.

Er hat mit dem Pastell später angefangen wie mit der Aquarelltechnik.[86] Der Anfang fällt in die Zeit der XI, wo er auch diese Art benutzte, um sich auszudrücken. Als wir in München zusammentrafen, hat er viele Pastelle gemalt: in Dachau eine Chaussee mit Häusern, am Starnberger See einen kleinen Garten. In Florenz hat er nur in dieser Art gearbeitet. Überhaupt verwendet er das Pastell, wenn etwas schnell gemacht werden soll: ein Entwurf, eine Skizze zu einem Bilde, sei es eine Komposition nach dem Gedächtnis oder die flüchtige Notierung eines Natureindrucks, wie die Skizze zu seinem großen Rauhreifbilde. In Agger machten wir einen Ausflug nach dem Leuchtturm und dabei blieb er etwa fünfzehn Minuten in den Dünen zurück; diese Zeit genügte ihm, ein gelungenes Pastell mit nach Hause zu nehmen. Ich habe es noch in seinem Nachlaß gesehen; es zeigte die Dünen mit auftauchendem Leuchtturm. In den letzten Jahren hat er weniger in dieser Malart geschaffen; außer der schon angeführten Skizze des Rauhreifes weiß ich eigentlich von keiner andern Arbeit.[87]

Quelle:
Corinth, Lovis: Das Leben Walter Leistikows. Berlin: Bruno Cassirer, 1910, S. 83-88.
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