Jagdfreuden

[179] Gleich in der ersten Nacht trug sich ein Umstand zu, der sich in Raffs Naturgeschichte nicht ganz unvorteilhaft würde ausgenommen haben. Ich erwachte von dem Schelten meines Bruders, der sehr ungehalten schien und mir auf Befragen mitteilte, es habe ihn was gebissen. Ich entgegnete, es möchte eine Wanze gewesen sein. Er sagte aber: »Nein, etwas ganz Großes!« und Hummelshayn wäre ein Nest!

So lamentierte er und wollte sich nicht beruhigen, bis Herr Bäring aus der Nebenstube mit Licht eintrat. Da fand sich denn die strotzende Backe des armen Herrn Schäfer zunächst dem Auge blutig geschunden und geschrunden, daß es häßlich zu sehen war, und der Mörder fand sich auch, nämlich eine frisch verreckte und noch warme Maus. Der Kleine hatte sie, vom Schmerz geweckt, noch halb bewußtlos, ergriffen und an die Wand geschleudert.

Daß diese Maus – es war eine ganz natürliche mit scharfen Schneidezähnen, klaren Ohren und perfidem Geruch – nirgend anders als zur Tür hereingekommen und daß es draußen auf dem Boden viele gäbe, darüber waren Herr Bäring und die Vettern einig. Wir eröffneten daher vom nächsten Morgen an den schonungslosesten Vertilgungskrieg gegen dieses menschenfressende Ungeziefer. Nicht allein stellten wir zahlreiche Studentenfallen auf, sondern lagen in unseren Mußestunden[179] persönlich im Hinterhalt mit Armbrüsten und Blaseröhren. Die Sache wurde zur Passion, und wir erlegten viele Mäuse.

In der Folge stellten wir zu unserem Beistand sogar noch einen Unterförster an, einen Igel nämlich, den wir im Walde aufgegriffen hatten. Wir mästeten ihn nebenbei mit Milch, damit er stärker und kühner würde, und bauten ihm eine bequeme Höhle, so daß es ihm eigentlich an nichts gebrach. Dennoch war er eines Morgens aufs unheimlichste verschwunden.

Zu wissen, daß sich ein Igel irgendwo an einem bestimmten Fleck aufhält, hat wenig auf sich; weiß man dagegen nur, daß einer im Hause ist, so ist's bedenklicher, weil man ihm ganz unvorbereitet an den allerunpassendsten Orten begegnen könnte. Durch diese Vorstellung war namentlich die weibliche Hausgenossenschaft geniert, und wir suchten den Entschwundenen tagelang, um ihn wieder in den Wald zu tragen, aber er wollte sich nicht finden lassen. Übrigens wäre es gut, daß wir den Schweinigel los wären, sagte die Köchin, denn wenn er böse würde, schösse er seine Stacheln auf zehn Schritt und weiter, und wohin er träfe, wäre ihm egal. Daß dies eine im thüringischen Volke verbreitete Annahme war, erfuhr ich später.

Quelle:
Kügelgen, Wilhem von: Jugenderinnerungen eines alten Mannes. Leipzig 1959, S. 179-180.
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