95 [85] Brief an Wassily Kandinsky

Sindelsdorf, 2.4.1913


... Hier finde ich die interessante Nachricht vor, daß der Herbstsalon in den Lepke-Räumen auch finanziell gesichert ist, ich soll den financier nicht nennen, also nehmen wir alles als angenehmes fait accompli [1. Deutscher Herbstsalon, Sept. 1913 in der Sturm-Galerie Berlin, finanziell gestützt von B. Koehler senior, d. Hrsg.]. Die Sache gelang durch August Macke. Die Franzosen scheinen alle mitzutun. Gedächtnisausstellung Henri Rousseau geplant, Matisse und die Kubisten. Jeder wird so cc. 3–4 Bilder haben können, auf Grund persönlicher Einladungen, über die wir uns mit Walden unschwer einigen werden. Die Sache steht, meine ich, ziemlich so, daß Sie und ich für die Münchner verantwortlich sind, August, Walden, Delaunay für die Berliner und Franzosen; das kann uns ganz angenehm sein. Ich bin jedenfalls froh, bei der Auswahl der Kubisten unbeteiligt zu sein; ich kenne mich da einfach nicht genügend aus. Und die Berliner sollen für sich selber sorgen und sich mit Walden auseinandersetzen. Die ganze Geschichte ist jedenfalls hübscher und interessanter als der Sonderbund redivivus; die 10 Mk können wir uns, glaub ich, sparen; das heißt dann soviel wie austreten. Ein allgemeiner Austritt müßte durch ein Rundschreiben von Reiche besonders angeregt werden; das wäre natürlich das gescheiteste. Grisebach – Jena hat leider auf ein Jahr hinaus seinen Kunstverein besetzt und muß also auf die Münterkollektion, wenigstens zunächst, verzichten. Daß Richter sie bringt, freut uns sehr; wir sahen sie in München, – wirkt fein; intimer als in Berlin; wenn auch das Übereinanderhängen mir als schwerer Mißstand erschien. Egon Adler hat bei Dietzel einiges Feines; haben Sie es gesehen? Die Schweizer finde ich, offen gestanden, recht schwach, mit einziger Ausnahme Arp, von dem mir fast alles außerordentlich gefiel; ich werd ihm schreiben. Klee ist immer herrlich. Ich traf Kubin in München, sagte ihm von dem Herbstsalon, natürlich begeistert, aber noch mehr von unsrer Bibelidee ...

Quelle:
Franz Marc: Briefe, Schriften, Aufzeichnungen. Leipzig: Gustav Kiepenheuer, 1989, S. 85.
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