221

[189] 2.II.16.


Liebste, recht gefreut hab ich mich über Waldens Meldung, daß wieder was verkauft ist, das neue Schafbild 300 netto und 2 Holzschnitte, also 360 Mk. Du hast also bestimmt und ausreichend Geld vor Dir, – von mir kommen auch wieder 100 in den nächsten Tagen; ich sende sie der Einfachheit halber direkt an Muttchen, damit ja keine Schwierigkeiten mit dem Geldempfang entstehen. Dein lieber Brief vom 27. kam auch heute; nimm's nicht zu tragisch, wenn ich Dir Lisbeth als Vorbild der Lebensmutigkeit hinstellte; ich bin ja klug genug, die Unvergleichbarkeit Eurer Situationen und Charaktere auch zu sehen. Ich dränge aber auch nicht aus Gedankenlosigkeit zu einer tapferen Fröhlichkeit trotz allen Leides; solange das Blut in einem pocht, muß man an's Leben glauben und sich nicht mißtrauisch separieren; und Dein Wort: ›ich kann nicht‹ ist schließlich graduell wie alles im Leben; etwas weniger – etwas mehr, – das ist das Geheimnis des Wartens, Warten-Könnens und der Sehnsucht; der Stolz muß im Menschen siegen über alle Dinge, nicht die indische Trauer. Daß ich den Krieg als Gesundungsprozeß wie jede, (auch die tödlichste) Krankheit ansehe, hat ja natürlich nur den Sinn, daß ich auch den Krieg nicht als solchen angreifen und vertilgen[189] möchte, sondern seine Ursachen. Der Mensch stirbt nicht an der Krebswucherung, sondern an dem tödlichen Keim, den die Wucherung nicht zu überwinden vermag. Auch darf man solche Vergleiche nicht zu weit treiben, sonst hinken sie eben. Aber ich wehre mich unablässig gegen die herrschende Gedankenlosigkeit, den Krieg als solchen so zu hassen als sich selbst, den Aussatz unsrer Seele. Man muß seine Gedanken nicht gegen den Krieg richten, sondern gegen sich, und sofort damit anfangen. Nichts ist selbstverständlicher, strafgerechter als dieser Krieg. Kein Mensch sieht das, – wenigstens keiner will's an sich selbst sehen. ...

Quelle:
Franz Marc: Briefe, Schriften, Aufzeichnungen. Leipzig: Gustav Kiepenheuer, 1989, S. 189-190.
Lizenz:
Kategorien: