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[193] 7.II.16


Liebe Lina,

meine Frau schreibt mir von Ihrem Bericht über den Russl und seine ewige Unreinlichkeit und Ansteckungsgefahr und über die gute Hanni. Zunächst lassen Sie sich einmal meinen herzlich gemeinten Dank sagen für die Treue, mit der Sie die Tiere und mein Haus versorgen. Ich weiß sehr gut, daß das gar nicht so leicht ist und viel Umsicht und Liebe dazugehört. Aber die Hauptsache ist natürlich, daß man dabei gesund bleibt und wird. So gern ich meinen alten weißen Russl habe, so bin ich doch dafür, daß Sie ihn unter allen Umständen fortgeben, und zwar, wenn sich eine Gelegenheit findet, zu irgend jemand im Dorf, der ihn nehmen will. Ich will meinem alten Hundekameraden gern sein Gnadenbrot auch bei andern Leuten bezahlen; sie sollen es einen Monat versuchen und dann berechnen, was er ihnen kostet. Sie können ihm ja ab und zu einen Leckerbissen bringen, daß er Sie nicht ganz vergißt; findet sich aber niemand, der ihn in Kost nehmen kann, bitten Sie Herrn Bauer in meinem Namen, dem Russl mit einer ehrlichen Kugel den Schritt ins Jenseits zu erleichtern. Also tun Sie den Russl fort, und zwar sogleich auf die eine oder andere Weise. Wenn er nicht bei irgend jemand einen guten Platz findet, ist es besser, Sie lassen ihn erschießen. Aber fortgeben müssen Sie ihn auf alle Fälle. Und dann kurieren Sie sich selber einmal ordentlich aus. Der Welf wird ja auch viel leichter zu halten sein, wenn der Russl nicht mehr im Garten ist. – Daß jetzt genug Futter für Hanni da ist, freut mich. Sorgen Sie nur immer hübsch im voraus dafür, damit es nie ausgeht; und bringen Sie ihr recht oft Haselnuß- und Eichenzweige, an denen sie kauen kann. Sie enthalten Gerbsäure, die für die Tiere notwendig ist. Mir geht es recht gut; denn unsere[193] Division ist seit 2 Monaten in Ruhe, – ewig wird sie ja nicht dauern, aber der grauenhafte Krieg hoffentlich auch nicht. Ich bin fest überzeugt, daß er in diesem Sommer zu Ende geht. Dann gibt's auch wieder vergnügtere Zeiten in Ried. Gute Besserung und herzlichen Gruß Frz. Marc

p.s. Ich schicke Ihnen in diesen Tagen auch das Kistchen mit den leeren Büchsen zurück.

Quelle:
Franz Marc: Briefe, Schriften, Aufzeichnungen. Leipzig: Gustav Kiepenheuer, 1989, S. 193-194.
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