August Macke 28.04.1912

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Bonn, 28. April 1912


Lieber Franz!


Seid gegrüsst! Das schöne kleine Blaupferdchen hat uns sehr gefreut. Der Bubi hätte sich am liebsten gleich draufgesetzt. Im Sonderbund bin ich auf meinen eigenen Antrag in die Kunstkommission gewählt worden. Es war in der letzten Sitzung recht interessant. Cassirer war da. Das ist doch ein schlauer Hecht. Er erklärte im Namen Liebermanns, dieser könne sich nicht an der Ausstellung beteiligen, weil Liebermann »seine Leute« nicht im Stich lassen könne und weil es dann aussehe, als ginge Liebermann in das andere Lager über. Es war solch eine kleine Anspielung auf eine Einladung der Sezessionsleute, Beckmann und Konsorten, die aber glatt abgewiesen wurde, ebenso wie man grossmütig auf Liebermann verzichtete. Ich hatte eine Debatte mit Cassirer, in der ich ihm u.a. sagte, dass die Sezession seit fünf Jahren alljährlich fünf bis sechs Matisse, der gar nicht zu ihren Anschauungen passe, ausstelle, und zwar mit dem Erfolg, dass Matisse mit diesen paar Bildchen einen kolossalen Anhang bekommen hätte. Ob man das für Liebermann auch fürchte. Er erklärte Gauguin für einen Menschen à la Stuck und Boecklin. Überhaupt habe die ganze neue Schule dieselben Merkmale wie diese Bewegung. Ich hab ihm aber ziemlich saftig und schlagend geantwortet, so dass er einen Moment brauchte, um wieder auf die Beine zu kommen, was ihm natürlich auch immer gelang. Er ist schon ein gerissener Hund. Einwickeln kann man den meiner Überzeugung nach nicht. Nur totquatschen.[117]

Diese Woche waren wir bei Nauen, der sechs grosse Wandbilder malt, die scheinbar sehr fein werden.

Kennst Du einen Dr. Grisebach in Jena? Der schickte in diesen Tagen jemand her, um für den Jenenser Kunstverein eine Ausstellung meiner Sachen zu machen. Er hätte auch eine Zeichnung von mir. Ich habe keine Ahnung, doch habe ich für Juni zugesagt. Weitere Pläne für die Ausstellung habe ich noch nicht. Doch denke ich, in Frankfurt wird die Goldschmidt oder Schames nehmen. Ich hatte in der B.Z. am Mittag eine verhimmelnde Kritik von Osborn, die ich den Leuten schicken werde. Hat in Münchener Blättern nichts gestanden von der Kollektion? Onkel Bernhard hat ja sieben Stück gekauft und auf diese Weise unsere Geldverhältnisse etwas aufgebessert, was sehr nötig war. Du hast ja in Frankfurt gut verkauft, wozu ich Dir gratuliere. Es sind Bekannte von Dr. Lübbecke. Emma Lübbecke klagte über Deine hohen Preise, 1600 M. etc., worauf ich sie aufklärte und ihr sagte, die Leute sollten Dir gegenüber bieten. Nun Schluss, lieber Franz und Maria. Neulich sah ich den neuen Vögel-Kalender 1912. Habt Ihr Sindelsdorf er daran noch immer soviel Interesse? Wir Bonner auch. Gruss Euer August

Quelle:
Franz Marc, August Macke: Briefwechsel. Köln: DuMont, 1964., S. 117-118.
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