8.

[187] Die Kunst zeigt dasselbe Krankheitsbild. Ihr Verfall ist erschreckend, aber auch sie wird nicht an der Maschine sterben. Gewiß können unsre Maschinen keine Handarbeit, die wir verlernt haben, kein Rokoko hervorbringen. Aber hätten wir heute schon die Zeit und die Gesundheit, um Kunstgedanken zu hegen, so bauten wir zu ihrer Ausführung spielend die nötigen und kühnsten Maschinen. Aber die Arbeitsbiene des 19. Jahrhunderts hatte keine Zeit für Kunst.

Letzten Endes haben die tollen Kriegsvorbereitungen den katastrophalen Zusammenbruch des Kunstwollens herbeigeführt. Jeder fühlte das große Ereignis vor sich. Alles glühte im Eifer der Vorbereitung. Alle Völker rüsteten und arbeiteten die Idee dieses Krieges bis in's Kleinste aus. In endlosen Verhandlungen verteilte man die Rollen, bis endlich das blutige Spiel begann.

Für Kunstwollen war kein Raum.

Kunst wurde bestenfalls zum Kitzel für überanstrengte Nerven, zum Zweckding und gleichgültigen Spielzeug in müden Stunden.

Quelle:
Franz Marc: Schriften. Köln: DuMont, 1978, S. 187.
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