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[11] Das Revolutionsjahr 1848 ist mir noch gut in Erinnerung. Mein Vater hoffte, wie alle armen Leute, viel Gutes von der Revolution. Der Name Hecker war in aller Munde. An Fastnacht wurde im Herrschaftswald eine hohe Tanne geholt und mit Musik wurde auf dem Platz im Oberlehn die Freiheitsfahne aufgerichtet; sie wurde später von den Württemberger Soldaten umgehauen.

Hecker mit seiner Schar zog durch Bernau vom Bodensee herunter. Wir Buben spielten Freischärler und Soldaten und zogen im Tal herum, schmarotzten wohl auch an den Wirtshäusern, wo besonders der Adlerwirt uns Wein spendete. Die erwachsene Mannschaft schmiedete in der Schmiede ihre Sensen gerade an die Stiele. Einer der gutmütigsten Menschen, der Sägerkarte, machte die grausigste Waffe, er machte an einem langen Schaft die Sense aufgerichtet und dahinter links und rechts zwei scharfe Sicheln, dabei erklärte er uns Buben, wie er zuerst in die Feinde hineinstechen und dann mit den beiden Sicheln noch andere Feinde links und rechts mitten durchschneiden wolle. Wir bewunderten den Held. Mein Vetter Alisi hämmerte ein wenig an seiner Mistgabel herum, machte einen langen Stiel daran und meinte, das sei auch genug, die Feinde abzuhalten und ihnen Schaden zu tun. Was der Karle übriglasse, das wolle er besorgen. Auf dem Platz fanden Exerzierübungen statt; einmal rückte auch ein ganzer Zug Sensenmänner von Bernau unter Trauern und Weinender Frauen ab nach Todtnau – dort erfuhren sie, daß es in Kandern mißlich gegangen sei. Da kamen in der Nacht alle wieder einzeln und still nach Hause.

1849 wurden Gewehre an das Volk verteilt und da ging erst recht das allabendliche Exerzieren los.

Es ging aber nicht lange, da ritt ein preußischer Ulan ins Tal und alle Waffen mußten abgeliefert werden; ich besaß ein Gewehr mit einer Feder, die einen Pfropfen vorn herausschleuderte und einen blechernen Säbel mit einer Scheide – dieser Besitz hatte mich berechtigt bei unsern Spielen jederzeit den Hecker vorstellen zu müssen. Auf dem Heuboden fand ich ein Versteck für meine Waffen, die wohl kein Preuße entdeckt haben würde, aber ich sah täglich nach, ob meine Waffen noch vorhanden seien.[11]

Quelle:
Thoma, Hans: Im Winter des Lebens. Aus acht Jahrzehnten gesammelte Erinnerungen, Jena 1919, S. 11-12.
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