Hirudo

[540] Hirudo.

Hirudo seu Sanguisuga, frantzösisch, Sangsue, teutsch, ein Blutigel, ein Blutsauger, ist ein Gewürm, das sich im Wasser aufzuhalten pfleget, und als ein dicker Wurm formiret ist, des kleinen Fingers lang. Am Kopfe stehen drey kleine, überaus sehr scharffe, starcke Zähne oder Stacheln, dann er mag nicht nur des Menschen Haut durchstechen, sondern auch das Pferd und Ochsenfell: von Farbe ist er bunt. Es giebt ihrer allerhand Gattungen, von unterschiedener Grösse. Deren wir uns bey der Medicin bedienen,[540] die müssen von der allerkleinsten Sorte seyn, einen dünnen Kopf haben, und auf dem Rücken gelb und grün gestreiffet seyn, am Bauche aber röthlicht, müssen aus hell- und klaren, frisch und fliessenden Wassern gefangen werden. Bevor man sie gebrauchen will, muß man sie einige Tage hindurch in reinem klaren Wasser sich wol reinigen und hungrig werden lassen, dann also hangen sie sich viel geschwinder an, wohin man sie ansetzen will. Sie ziehen das Geblüte aus, und wann sie sich gefüllet haben, so fallen sie bisweilen von sich selbsten ab. Bisweilen aber bleiben sie an der eröffneten Ader zu lange hangen, daß man gemüßigt ist sie mit ein wenig Saltz, das man auf ihren Leib hinschüttet, wegzubringen und ihre Beute ihnen abzujagen. Dieses ist ein gar dienliches Mittel die Flüsse abzuziehen und anders wohin zu leiten, wie ingleichen die gar zu grosse Menge des Geblütes zu vermindern, welches sich an gewissen Orten, z.E. an der goldnen Ader, hat gehäuffet. Doch unterweilen hat man grosse Mühe das Geblüte zu verstellen, nachdem die Igel ihren Platz verlassen haben und entstehet grosses bluten, dadurch der Patiente sehr geschwächet wird. Da muß man dann anziehende Artzneyen brauchen, als da sind aqua styptica, Vitriol.

In der See werden auch Blutigel, frantzösich, Sang suës de mer, genannt, gefunden, sind aber bey der Medicin gar nicht gebräuchlich.

Die Blutigel sind Zwitter, wie ander kriechendes Gewürme mehr, das in dem Rücken keine Beine hat.

Höchst gefährlich und verdrießlich ists, wann einer einen lebenden Blutigel eingeschluckt, er sey auch noch so klein; dann dieser Wurm kan sich gar leichtlich an die kleinen Aederlein des Magens und der Därme hangen, und das Geblüt aussaugen, welches gewiß gar wunderliche Zufälle solte verursachen. Das beste Mittel, bey dergleichen Vorfall zu gebrauchen, dürffte seyn, daß man derselbigen Person Saltzwasser oder Häringslake trincken liesse: dann das Saltz würde den Wurm in den Kopf beissen und machen, daß er seine Beute müste fahren lassen. Es ist dieses ein experimentum der Wundärtzte; dann, wann sie die Blutigel angesetzt, es sey wohin es auch nur wolle, und halten ihnen nur ein wenig Saltz vor, so lassen sie stracks gehen und fallen ab. Man könte auch den Patienten mit solchen Artzneyen purgiren, darunter der Mercurius dulcificatus kommt, oder sonst ein anderes Mercuriale.

Quelle:
Lemery, Nicholas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721., Sp. 540-541.
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