Hystrix

[560] Hystrix.

Hystrix, Porcus spicatus, frantzösisch, Porc-épi,[560] teutsch, eine Stachelsau, ein Stachelschwein; ist ein Geschlechte von den großen Landigeln, so rund als ein Ballon. Sein Kopf ist klein, hat aber eine Figur, bey nahe wie ein Schwein. Die Augen sind klein: der Rachen bald wie eines Hasen, mit vier langen und schneidenden Zähnen versehen, die den Biderzähnen nicht unähnlich sind; zwey oben und zwey unten. Oben auf der Zunge sind sehr viel kleine Cörper zu befinden, die beinhart sind, und als wie Zähne gestalt. Die Ohren sind formiret als wie Menschen- und wie Affenohren, hangen herunter gegen den Boden, und sind mit trefflich zartem Haar besetzt. Die Vorderfüsse sehen wie Dachsenfüsse, und sind an einem vier Zehen zu befinden. Die Hinterfüsse vergleichen sich den Bärenbranten, und hat ein jeder auch vier Zehen. Der gantze Leib ist über und über wie mit Seide überzogen, oder mit dick- und gläntzenden Borsten, bald wie das wilde Schwein. Es sind dieselben insgemeine, am gantzen Leibe, gern drey Finger lang, die aber oben an dem Halse sind wol des Fusses lang, und dreymahl so dicke als die andern. Es hat auch gleichsam einen Federbusch auf seinem Kopfe, der ist auf acht Zoll hoch, und seine Bärte sind fast acht Zoll in der Länge. Dieser Busch ist wol mehrentheils von unten an bis an die Mitten weiß, allein der Uberrest sieht braun, wie die Kastanen. Der Leib ist ferner auch mit einer Gattung Nadeln wol versehen, die sind glatt und gläntzend, und sehen aus gleich als wie Spillen oder Federkielen; sind einer Hand lang, hart, spitzig und stachlicht, so dicke wie die Schwanenkielen, vest und starck, bald weiß, bald schwartz, auch weiß und schwartz zugleich, ohne Seitenfederlein, die dienen ihm zu seinem Schutz. Die meisten unter diesen Nadeln, nemlich die allerstärcksten, hasten nur in der Haut. Die weiß das Thier auf seine Jäger, als wie Pfeile loszuschiessen, wann es sich schüttelt, wie die Hunde, die nur aus dem Wasser kommen: und dieses verrichtet es mit solcher Kraft, daß es vielmahls die Hunde, samt den Menschen dadurch wundet. Es hält dieselbigen gerade aufgericht, wann es zu Felde ziehet, oder wann es jemand gewahr wird; und legt dieselbigen nieder an seinen Leib, wann es in seinen Bau will kriechen, in welchem es zu wohnen pflegt, absonderlich im Winter: sonsten verbirgt es sich auch wol in dem Gebüsche. Es wird in Ethiopien gefunden, in Arabien, in Indien, und in Italien, gar selten auch in Franckreich. Es nähret sich mit Trauben, mit Aepfeln und mit Birnen, mit Wurtzeln und mit Brod, wanns ihm gereichet wird. Es säufft Wasser, wann aber Wein darein gemischet wird, so nimmt es solches noch begierlicher zu sich. Es gehet mehr bey Nachte, als bey Tage, seiner Nahrung nach. Sein Fleisch ist gut zu essen: führet viel flüchtig Saltz und Oel.

Sein Fleisch und seine Leber öffnen den Leib und treiben den Urin.

Sein Fett ist gut zu Brüchen und zu Stärckung der Nerven.

Bisweilen, jedoch gar selten, werden in dem Kopfe, in dem Magen und in dem Gallenbläslein einiger indianischen Stachelschweine gewisse Steine angetroffen, welche dem Schweinebezoar, davon an seinem Orte ist gehandelt worden, so ziemlich ähnlich sind: doch sind sie um ein gut Theil dicker, und haben[561] Blätter oder Schupen, als wie der orientalische Bezoar, sind gleich, wann einer sie anrühret, und schlüpferig, wie, Seiffe, von Farbe helle purperfarbig, und bitter von Geschmack. Sie werden Pierre de Malaca, Stein von Malaca, und Bezoar de Porc-épi des Indes, indianischer Stachelschweinebezoar betitelt: und in einer Provintz des Königreichs Malacca, Namens Pam, gefunden, sind aber trefflich rar und ungemeine theuer: sie werden auch weit höher geschätzet, als wie die gemeinen Bezoarsteine.

Sie dienen, alle bösen Feuchtigkeiten, vermittelst der gantz unempfindlichen Ausdünstung, aus dem Leibe heraus zu jagen, dem Gift zu widerstehen, und das Hertz zu stärcken. Die dosis ist von zwey bis auf acht Gran: es wird Wein mit Wasser vermischet, drauf gegossen und sodann gebraucht.

Der Stein von Malaca wird auf lateinisch, Lapis Malacanus, seu Bezoar Hystricis genannt.

Hystrix kommt von ύς, Sus, ein Schwein, weil dieses Thier soll einem Schweine ähnlich sehen.

Der griechische Name ὕςριξ bedeutet soviel als Schweineborsten, und dessenthalben wird das Thier also genannt, dieweil dasselbige mit solchen Borsten, wie ein wildes Schwein, bekleidet ist.

Quelle:
Lemery, Nicholas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721., Sp. 560-562.
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