Manchenilier

[688] Manchenilier.

Manchenilier, oder Mancenilier, teutsch, Manzenilienbaum, ist, wie der P. Plumier vermeldet, ein gar schöner, aber auch höchst gefährlicher, americanischer Baum. Er gleichet unterweilen an der Höhe unseren Nußbäumen: sein Stamm hält im Durchschnitte zwey bis drey Fuß: seine Rinde ist ziemlich glatt und graulicht: er vergiesset eine überaus weisse Milch, wann er gerissen wird. Diese Milch ist ein scharffes, brennendes und tödtlich Gift. Die Indianer tuncken ihre Pfeile, welche sie vergiften wollen, mit den Spitzen drein, und brauchen sie im Kriege. Sein Holtz ist sehr schön, hart und dichte, wie das Nußbaumholtz; hin und her mit grau und schwärtzlichten Adern eingesprenget: es dienet sehr wol allerhand Hausrath daraus zu machen. Das Laub siehet dem Birnbaumlaube gleich, ist inwendig voller Milch und giftig. Die Blüten sind Kätzlein, und sehen als wie ungefehr des halben Fusses lange Aehren, mit vielen kleinen und dicken Zünglein oder Spitzen besetzet, die vortrefflich schöne roth sind. Die Früchte wachsen auf gantz andern Stämmen, von den Kätzlein abgesondert. Die jungen Früchte sehen wie kleine Hödlein aus, ein wenig dicker, als wie die an dem Bingelkraute, dem Männlein; daraus werden hernachmahls Aepfel, die was die äusserliche Grösse, Farbe und Figur betrifft, als wie die Apieäpfel sehen, und gut riechen. Ihr Fleisch ist voll gantz weisses Safts, als wie die Rinde und die Blätter, und gleichfals ein gar heftig Gift. Mitten in dem Fleische findet sich ein Kern, so dicke, als wie eine Kastanie, der ist hart und holtzig. Dieser Baum wächst auf den meisten Antilleninseln,[688] am Strande der See. Will man es wagen und unter einem Baum sich schlafen legen, so wird man bald empfinden, daß sich die Augen entzünden, und man davon geschwillt. Der Thau und der Regen, die auf die Blätter fallen, machen Blasen auf der Haut, wie sonst ein vesicatorium und Blasen ziehend Mittel: das Laub aber macht Geschwüre, wann es die Haut berühret. Die Caraiber wenden den Kopf weg, wann sie sich zu dem Baume machen, desselben Rinde aufzureissen und ihre Pfeile zu vergiften, damit ihnen der Saft nicht in die Augen spritzen möge. Bisweilen fallen Manzenillenäpfel in das Wasser, wann nun die Fische davon fressen, so werden sie gleichfals vergiftet. Kurtz, dieser Baum führet in allen seinen Theilen ein etzend und fressend Gift, davor sich die Americaner greulich scheuen.

Quelle:
Lemery, Nicholas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721., Sp. 688-689.
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