Geplauder

[26] Ich mag gewisse Gegenstände nicht leiden, z.B. einen Stock, der zugleich ein Regenschirm ist, oder ein Regenschirm, der zugleich ein Stock ist. Auch die Besitzer solcher Gegenstände mag ich nicht gern leiden, sie haben so einen Duft, einen Schimmer von pedantischem Junggesellentum. Dann Uhranhängsel mag ich auch nicht gern, besonders nicht den in Silber gefaßten Gaumen-Zahn (Krickel) eines Rehs[26] oder den ersten eines geliebten Kindchens. Dann mag ich auch nicht sehr gern Zwicker mit Goldeinfassung. Aber dafür gibt es keine psychologische Erklärung. Das ist Temperamentssache. Nicht sehr gern habe ich Porzellan mit gemalten Arabesken. Porzellan an sich ist gut, Arabesken an sich sind gar nicht gut, aber Porzellan mit Arabesken sind gar, nicht gut. Nicht sehr gern habe ich: »Heuer trägt man, heuer ist modern!« Das ist gut für die Modesalons und Die, die daran irgendwie teilnehmen. Aber ich nehme nicht teil, weder Teil noch das Ganze. Nicht sehr gern habe ich: häßliche Füße und schöne Schuhe, da habe ich schon lieber schöne Füße und gar keine Schuhe! Es ist mir gleichgültig, was schöne Strümpfe kosten, aber ein edles Bein ist unbezahlbar. Gestreifte Atlaskrawatten sind unmöglich. Man könnte sie nicht einmal einem Genie verzeihen, dem man doch gar nichts verzeiht. Nicht sehr gern habe ich Straußfedern, oh ja, am Strauß, am Strauß in der Wüste, hinten, wo sie hingehören, naturgemäß. Aber mein Gott, das ist Geschmacksache. Jeder nach seinem Gusto.

Quelle:
Altenberg, Peter: Mein Lebensabend. Berlin 1–81919, S. 26-27.
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