Der Gemahl

[72] »Meine süße zarte Frau wird von einem netten Romantiker ganz selbstlos verehrt, vergöttert gleichsam.

Wenn ich zufällig beschäftigt bin, um für sie Geld zu verdienen,

holt er sie zum Spaziergang ab, oder liest ihr sogar vor.

Es genügt ihm, bei ihr zu sein, neben ihr zu sein, in ihrer Nähe.

Er beschämt mich fast, denn mir, aufrichtig gesprochen, genügte das nicht.

Er hat mich sogar gern,

vielleicht weil ich ihm alle anderen Lasten abnehme;

aber nimmt er mir nicht auch wieder hingegen alle anderen Lasten ab?!

Er bietet das, was ich nicht bieten kann, ich habe eben leider Gott sei Dank keine Zeit,

[72] meine Schwärmerei besteht in Sorgfalt, Gelderwerb, Erhaltung der teuren Frau!

So Viele, Damen und Herren, angebliche Freunde,

träufeln mir Gifte ins Ohr, warnen mich!

Ich aber fühle: Ein Jeder fülle seinen Platz aus, bei der geliebten Frau!

Nun, und wenn es schon schief geht,

in dieser merkwürdig komplizierten und verworrenen ungerechten Welt?!

Was kümmert's mich und meine geradlinige Seele?!

Ich gehe den geraden Weg meiner Seelen-Pflichten!

Die krummen Wege der Anderen kümmern mich nicht!

Anita, sei trotzdem bedankt für Alles und gepriesen!«

Quelle:
Altenberg, Peter: Mein Lebensabend. Berlin 1–81919, S. 72-73.
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