Sie liebt ihn als ihre Blume

[163] 1

Ich liebe dich von Herzensgrund,

Ich liebe dich, du Schöner,

Ich sehne mich nach deinem Mund,

Du süßer Nazarener.

Ich wünsche mir den Honigseim,

Der von dir fleußt, zu tragen heim.


2

O Bräutigam, wie ist dein Kuß

So süße meiner Seele!

Wie lieblich ist der Nektarfluß,

Dein ausgegoßnes Öle![163]

Wie ist das Herz so voller Trost,

Das du, o Jesu, liebgekost.


3

Komm her zu mir, mein Ehrenpreis,

Mein Röslein und Narzisse,

Mein Augentrost und Wegeweis,

Mein Giftheil zuckersüße.

Ich gebe dir, schöns Blümelein,

Mein Herz zu einem Blumkrug ein.


4

Ich hab dich lieber als mein Licht

Und lieber als mein Leben.

Ohn dich mein Herze mir gebricht

Und will den Geist aufgeben.

Drum seh ich dich, mein Tausendschön,

Am liebsten in demselben stehn.


5

Ach wurzele doch tief hinein

Und bringe deine Früchte.

Laß deiner Blüte Glanz und Schein

Schön zieren mein Gesichte.

Sei meines Herzens Ehrenpreis

Und machs zu Gottes Paradeis.


Quelle:
Angelus Silesius: Sämtliche poetische Werke in drei Bänden. Band 2, München 1952, S. 163-164.
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