Sie liebet Gott bloß um Gott mit dem heiligen Xaverius

[346] 1

Ich liebe Gott und zwar umsunst,

Ich lieb ihn mit den Flammen,

Die er durch seine Gnad und Gunst

In mir selbst treibt zusammen.


2

Ich lieb ihn und die Lieb ist nicht

Um dies und das zu haben.

Wer nichts nicht liebt als 's ewge Licht,

Der liebet nicht um Gaben.


3

Es reizt mich nicht die Hoffnung an

Der himmelischen Freuden,

Auch bringt mich nicht auf diese Bahn

Die Furcht der ewgen Leiden.
[346]

4

Die Lieb ist nichts, die man erkauft,

Ich will ihn frei umfassen;

Auch die nichts, die gezwungen lauft,

Ich will sie fahren lassen.


5

Du, mein Erlöser, bists allein,

Der mich zur Lieb beweget;

Du bists, der diese süße Pein

In meinem Geist erreget.


6

Dein Kreuz, die Schmach, die Angst, der Schmerz,

Die Striemen und die Wunden,

Die sind es, welche mir mein Herz

Genommen und gebunden.


7

Dies ist das Feur, das mich entzündt,

Dies ists, das in mir brennet,

Weil ich, daß du für meine Sünd

Gestorben bist, erkennet.


8

Nimm nun den Himmel immer hin,

Ich will dich doch noch lieben;

Reiß auch die Höll aus meinem Sinn,

Ich will dir doch mich üben.


9

Versprich mir nichts für meine Treu,

Ich will dich doch nicht lassen;

Mach mich mit keiner Strafe scheu,

Ich will dich doch umfassen.
[347]

10

Es sei kein Himmel, keine Welt,

Kein Fegfeur, keine Hölle,

So lieb ich doch, wie ich gemeldt,

Zu jeder Stund und Stelle.

Quelle:
Angelus Silesius: Sämtliche poetische Werke in drei Bänden. Band 2, München 1952, S. 346-348.
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