CXVI.

[129] 1. Was wöllen wir singen und heben an,

das best das wir gelernet han,

ein newes lied zu singen,

Wir singen von einem edelman,

der heist Schmidt von der Linden.


2. Der Lindenschmidt hat einen sohn,

der schwang den rossen das futer vor,[129]

uber eine kleine weile,

Er lag dem marggraffen in dem land,

und war jm viel zu geschwinde.


3. Fraw wirtin ist der wein hier gut,

ist hie noch stallung und futer gnug,

viel wägen werden kommen,

Sie fahren von Augspurg ab und zu,

frenckisch gut haben sie galaden.


4. Alhie ist der küle wein gut,

hie ist auch stallung und futer gnug,

drey rößlein stehn darinnen,

Sie komen eim reichen edelman zu,

der heist Schmidt von der Linden.


5. So bald als er das wort aussprach,

juncker Caspar in die stadel trat,

den Lindenschmid wolt er fangen,

Er schlug und stach alles was er sach,

Lindenschmid gib dich gefangen.


6. Sol ich dein gefangner sein,

das klag ich Gott vom himmelreich,

und seiner werden mutter,

Wer ich drey meilen jenseid dem Rhein,

wolt ich dir wol entreiten.


7. Auff jenseid den Rhein komstu nicht,

das ist dir desto lieber nit,

es ist dir misselungen,

Du hast mir grossen schaden gethan,

darumb gib dich gefangen.


8. Wirtin zapfft uns an külen wein,

und last uns frisch und frölich sein,

last uns essen und trincken,

Auff das dem hübschen Lindenschmid jung,

sein junges hertz nicht versincke.


9. Was sol ich frisch und frölich sein,

es trifft mir an das leben mein,[130]

ich mag trincken noch essen,

Ich bitt nur umb das wasser allein,

das ich mein wunden mag waschen.


10. Ach Lindenschmid sey wolgemut,

das wasser sol dir sein bereit,

damit du dein wunden solt waschen,

Bis freytag kompt der meister ins land,

der führt das wasser in der scheiden.


11. Ach kan und mag es nit anders gesein,

so bitt ich für den jüngsten sone mein,

der ritter ist noch junge,

Hat er euch etwas leids gethan,

darzu ist er gedrungen.


12. Juncker Caspar der sprach nein darzu,

das kelblein mus folgen der kuh,

das wird nicht anders gesprochen,

Und wenn der jüngling sein leben behielt,

seines vaters todt wird er rechen.


13. Auff einen freitag das geschach,

das man den Lindenschmid richten sach,

so fern an grüner heiden,

Da sach man den Lindenschmid,

von guten gesellen scheiden.

Quelle:
[Anonym]: Das Ambraser Liederbuch vom Jahre 1582. Stuttgart 1845, S. 129-131.
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