CXXXIIII.

Ein new Fuhrmanslied, wie einsmals die Fuhrleut auff der Strass anstachen, und von eim todten Jüden truncken.

[161] 1. Fuhrleut die han ein guten mut,

wenn sie führen wein der schmecken thut,

sie thun jn offt anstechen,

Wasser für wein giessen sie drein,

halb wasser müssen wir zechen.


2. Es wird jn etwan auch der lohn,

das sie den spot zum schaden han,

wie ich denn hab gelesen,

Das es zu Prag, fürwar ich sag,

ein todter jüd ist gewesen.


3. Der jüd der solt gefüret werden,

gen Regenspurg, allda zur erden,

bestattet und begraben,

Sie wusten wol, das man gros zol

zur jüden leich must haben.[161]


4. Ein list erdachtens all gemein,

sic schlugen jhn in ein faß hinein,

das was vol süsses moste,

Und wolten jn, so bringen hin,

das er nit viel solt kosten.


5. Die fuhrleut namen das faß an,

man gab jn gar ein guten lohn,

sie kamen auff die strasse,

Der todte jüd, macht jn ein mut,

sie stachen an das fasse.


6. Den jüden wein versuchtens wol,

sie truncken sich darvon gar vol,

der wein thet jhn schmecken,

Hetten kein gnad, der jüden schad,

wasser musts alles decken.


7. Den jüden woltens schalckheit than,

den spott den mustens selber han,

vom jüden mustens zechen,

Billich den lohn, brachten darvon,

für jr heimlichs anstechen.


8. Wenn jedes faß ein jüden hett,

das man also anstechen thet,

anstechen würd sich massen,

Viel minder würd, wasser gefürt,

und blieb der wein in fassen.


9. Den fuhrleuten solchs gesungen hat,

ein jüd an einem abend spat,

er segnet jn das trincken,

Wer jüden wein, wil schencken ein,

der sol jm lassen wincken.

Quelle:
[Anonym]: Das Ambraser Liederbuch vom Jahre 1582. Stuttgart 1845, S. 161-162.
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