Neunte Szene.

[68] Vorige. Ferner erscheint am Fenster.


FERNER. Laß nur auf!

VRONI tritt erschrocken zurück, für sich. Da is er doch noch!

FERNER setzt sich aufs Fensterbrett, das Gewehr zwischen den Knien. Je, wie's dich z'sammenreißt! – Verlegt's dir die Red'? – Is a g'scheiter, du redst nix und nimmst Vernunft an! Bist ja a willige Dirn'! – Hast wohl a dem nit »nein« g'sagt, den ich vorher hab da naussteig'n sehn? – Ich weiß, es is dir nit um mich z' tun und hätt'st dir's wohl nit denkt, wie d' mich heut so klein g'macht hast, daß ich so bald wieder aufstund' und gar noch herkimm zu dir! Aber ich hab grad die schneidigen Dirndln gern, es is a b'sondrer G'spaß, die mürb z' machen! Deßtweg'n taugst mir und, wann's a schon a Weil' her is, daß ich nach kein' Dirndl mehr frag, zu dir komm ich doch fensterln! Hahaha! Steht auf, tritt auf sie zu, die Zähne übereinander. Mach keine Umständ', sonst brenn ich dich beim ersten Schrei nieder! Gib 'n Brief heraus!!

VRONI wieder vollkommen gefaßt, für sich. Wart, Falschspieler, wie ich dich jetzt trumpf!

FERNER. B'sinn dich nit lang!

VRONI wie zornig. Weißt ja doch selber recht gut, daß[68] ich 'n nimmer hab! Hast wohl drauß auf der Lauer schon dein' Freud' dran g'habt, wie ich wehrlos dasteh, neam'nd errufen kann und tun muß, wie euch g'leg'n is!

FERNER. Spinn keine Faxen, zwirn hurtig aber, gib 'n raus!

VRONI. Mach mich nit wild mit deiner unnötig'n Frotzlerei! Hast du nit dein' Bub'n selber auf mich g'hetzt, daß er mir 'n Brief abtrutzt? – Ös habt's ja doch hitzt, was wöllt's, laßt's mir wenigstens ein' Fried'!

FERNER. Mein' Bub'n? Was redst, bist überhirnt – oder –? –

VRONI. Du kennst 'n wohl gar nit, den, der früher zum Fenster da nausg'stieg'n is?

FERNER jäh erschreckend. Der Franz war's? Jesus und Josef! – Ja! – ich hab mein' Aug'n nit trau'n woll'n, wie er in der Finstern an mir vorbeig'strichen is ... und doch – dös G'wand – er is mir z'vorkämma – er hat 'n Brief – der Schuft will sein' Vatern ganz in Händen hab'n!

VRONI ironisch. Dös ärgert dich wohl grimmig?

FERNER. Wir zwei sein fertig miteinander! – Ös habt's zum letztmal vom Kreuzweghof träumt, für enk wird hitzt auf St. Nimmerstag in Nindaschtdorf Recht g'sprochen, und ich rat enk auch, laßt's kein Wörtel mehr vom »Meineidbauer« fall'n! Adjes! Der Bub kann noch nit weit sein, mit dem red ich hitzt 's letzte Wörtl!


Steigt zum Fenster hinaus.


VRONI. Der Herrgott verzeih mir die Sünd'; aber hätt's nit glaubt, wie leicht man ein' Spitzbub'n geg'nüber selber einer wird! Gibt wohl drum so viel, denn einer macht – wie man von die Narr'n sagt – ihrer zehne! – Jetzt hab ich aber auch 'n Alten auf 'n Franz g'hetzt – 's wird dem doch nix g'schehn – Ah! der wird ehnder nit z' finden sein – gang mir recht nah, wann ihm was g'schähet, hab 'n fast so gern wie ein' Bruder! Mein rechter, der arm' Jakob, liegt hitzt unt' in Ottenschlag! – Himmlischer Vater, ich befiehl s' all' zwei in deine Händ'! Laß dem[69] Toten die Erd' leicht sein und b'hüt mir 'n andern vor Not und G'fahr!


Unter heftigem Donnerschlage und Aufleuchten des Wetterschlages fällt der Zwischenvorhang.


Verwandlung


Wildromantische Felsengegend.

Die Szenerie repräsentiert ein Felsenplateau, vorne links in der Kulisse ein praktikables Felsstück, im Hintergrund ein solches über die ganze Bühne führend, das mit einer Brücke schließt, die über

einen Abgrund führt, den aber ein kleinerer Fels dem Auge des Zuschauers verdeckt, rechts vorne ein sogenanntes »Marterl«.


Quelle:
Ludwig Anzengruber: Der Meineidbauer. Stuttgart 1959, S. 68-70.
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