Fünfte Scene.


[280] Alte Hammer und Frau Xandl.


FRAU XANDL. Der narrische Ding laßt ein' nit amal'n Leuten ein' guten Morgen sagen. Guten Morgen, Frau Hammer!

ALTE HAMMER hat unterdessen das Gebetbuch in die Lade gelegt, den Mantel ausgezogen und den Capuchon abgenommen und setzt während des Folgenden eine Haube auf und bindet eine weiße Schürze vor. Gut'n Morgen, Frau Xandl! Lassen S' Ihnen auch wieder einmal anschau'n?

FRAU XANDL. Na, Sie wissen ja, a Frauenzimmer, das allein steht und darauf ang'wiesen is, sich ehrlich fortz'bringen, kann niemand mit Besuchen überlaufen, aber das hätten S' doch wohl auch schon merken können, daß ich Ihnen zu keine Weihnachten ausbleib'.

ALTE HAMMER. Na, gehn S', Sie werden doch heuer nit wieder –?

FRAU XANDL. Freilich, freilich, wie d'Jahr' her, komm' ich heut wieder mit einer schönen Empfehlung vom Herrn Doktor Hammer, er laßt glückliche Fei'tag wünschen und das schickt er und d'Frau Mutter möcht' mit der Kleinigkeit vorlieb nehmen. Legt die Gegenstände auf den Tisch; für sich. An derer Lug' d'erstick' ich noch amal.

ALTE HAMMER nach der Muffschachtel greifend. I du mein Gott, is ja g'wiß wieder eh' all's z' viel! – Ich bitt' Ihnen, schau'n S' nur da her, den Muff, wie fein und wie wacherlwarm. Der muß nit wenig kosten. Glauben S' nit auch? Aber Jessas na, ich vergiß ganz, Ihnen ein' Sessel anzutragen, ich bitt', Frau Xandl, nehmen S' doch[281] Platz. Das Paket öffnend. Werd'n wir schau'n, was's da gibt. A Winterhaub'n? Sie läuft damit nach dem Spiegel, der hinter der Thüre an der linken Wand angebracht ist. Was sag'n S' dazu? Und wie die sitzt, wie aufprobiert; so schön wie ich überhaupt noch ausschau'n kann, schau' ich drein aus. Was, Frau Xandl? Aber, mein Gott, lassen S' Ihnen doch nit alles schaffen, thun S' doch ablegen.

FRAU XANDL. Dank' schön, ich muß eh' glei' wieder gehn.

ALTE HAMMER. Na, gar so pressant werd'n Sie's doch nit hab'n, Frau Xandl? Sehn S', schauen S', sag'n S' mer amal, wundert Sie's nit auch, daß mein Herr Sohn jed'smal errat', was ich just brauch', und jed'smal trifft, was mir z' G'sicht steht und auf 'n Leib paßt?

FRAU XANDL. Ja, ich wunder' mich schon lang', wie Sie das noch nit g'wundert hat.

ALTE HAMMER. Frau Xandl –

FRAU XANDL. Was denn?

ALTE HAMMER. A Bedienter bringt allmal d'Sachen zu Ihnen?

FRAU XANDL. Freilich. Der Herr Doktor wird sich doch nit eigenhändig mit unserein'm abgeben?

ALTE HAMMER. Na ja. Versteht sich. Wann S' 'n zufällig wieder sehn, den Bedienten, sag'n S', ich schicket a Bussel.

FRAU XANDL. Da wird der Bediente a Freud' hab'n.[282]

ALTE HAMMER gibt ihr lachend einen Schlag auf den Rücken. Gehn S' zu! Was Sie für a schlimm's Weib sein! Mein' Sohn schick' ich das Bussel! – Du mein Gott, jetzt sähet ich'n wohl gern amal wieder, aber er kommt halt so schwer von sein' G'schäften los; bisher hab' ich mir 'n völlig aufg'spart, noch vor a paar Jahr'n hätt' ich mir's g'nügen lassen, wenn ich'n auch nur von weiten z' sehn 'kriegt hätt', aber heut gib ich mich damit nimmer z'frieden, wann mer noch voneinander was g'nießen woll'n, bleibt wenig Zeit mehr. Mein liebe Frau Xandl, wir werd'n halt von Tag zu Tag älter.

FRAU XANDL. I net. Bitt' mer's aus! Aber wann mir gar so um sein' Anblick z' thun war', so ging' ich halt an Ihnerer Stell' franschman zu ihm hin. Wer kann Ihnen denn das verdenken oder verwehren? Möcht' wissen!

ALTE HAMMER. Ah na, wer weiß, wie die Frau Schwiegertochter das aufnehmet und nur, um Gottes willen, kein' häuslichen Unfrieden stiften! Nur das nit. Na, na, das lass'n mer sein. Vergelt ihm Gott, daß er mich nit vergißt und jede Freud', die er mir macht und alle, die er mir von klein auf g'macht hat, und er hat mich mehr davon erleben lassen, als manche andere Mutter erlebt, mei' liebe Frau Xandl. Freilich is nit jed's Kind danach und mein Jüngerer der bringt mir's dafür wieder ein. Na, ich will nit reden. Wenn mer's gut hat, muß mer Gott danken und es nit zu gut verlangen, nit wahr, Frau Xandl? Darf ich vielleicht mit ein' Lackerl Kaffee aufwarten?

FRAU XANDL mit beiden Händen abwehrend. Ui Jegerl, nur kein' Kaffee nit!

ALTE HAMMER trägt Muffschachtel und Paket, die sie beide wieder geschlossen, nach dem Schubladkasten. Wäre Ihnen etwa a Schlüpferl Weichselgeist lieber?[283]

FRAU XANDL. Was Warmenden gib i kan' Korb, aber Kaffee hab' ich mir g'nug in Leib 'kriegt, wie ich heut nacht die Ehre g'habt hab', in unsern Mokkabeisel auf'n Herrn Sohn zu warten; versteht sich, daß ich nit etwa von Herrn Doktor red', natürlich mein' ich'n andern, 'n Herrn Thomas.

ALTE HAMMER kommt mit einer Likörflasche und einem Stengelgläschen nach vorne. Hab'n Sie sich mit ihm z'samm'b'stellt? Hat eingeschenkt und rückt der Frau Xandl das Glas hin. Ich bitt'!

FRAU XANDL nimmt es an sich. J bin so frei. – Wie alle Jahr', Sie wissen ja, und er war stets so galant, zu zahl'n und 'n angenehmen Begleiter zu machen. Kostet. Ah, der is gut. – Aber heuer – Trinkt aus.

ALTE HAMMER. G'fällig, Frau Xandl, noch a Glaserl?

FRAU XANDL rückt das Glas hin. Wann i bitten darf.

ALTE HAMMER einschenkend. Na und was war denn heuer?

FRAU XANDL trinkt aus. Ich muß nur g'stehn, ich hab' mich vorhin ganz erstaunt, daß ich Ihnen über'n Herrn Thomas klagen hör', ich hab' erwart', daß S' 'n übern grün' Klee loben werd'n.

ALTE HAMMER. Hab' wirklich kein' Ursach'. Die Flasche schüttelnd. Ein Tröpferl wär' noch da, Frau Xandl.

FRAU XANDL deckt beide Hände über das Glas. Ah, na, na, ich will Ihnen nit beraub'n.

ALTE HAMMER. Aber gehn S', wenn er nur schmeckt, lassen S' Ihnen nit bitten.[284]

FRAU XANDL. Nix – nix – Sie nehmeten's dann selber übel.

ALTE HAMMER. Aber sein S' nit kindisch – Sie machen mi bös –

FRAU XANDL. Nein, Frau Hammer, das stünd' doch nit dafür. Gibt das Glas frei.

ALTE HAMMER leert den Rest der Flasche über. Gelten S', nein? Das mein' ich selber.

FRAU XANDL. Auf Ihner Wohlsein!

ALTE HAMMER. Dank' schön! Für sich. Richtig trinkt s' ein'm 'n weg!

FRAU XANDL. Bedanken muß ich mich. Gut war er. Mischt den Mund mit der Schürze. Was ich also sagen will, dösmal hab' ich allein heimzotteln konnen, der Herr Thomas hat sich mit kein' Aug' blicken lassen, vermutlich wollt' er sich Ungelegenheiten ersparen, weil's ihm gar so geeilt hat, daß er nach Haus kommt. Schlaft er noch? Was macht er denn?

ALTE HAMMER. Kann nit dienen.

FRAU XANDL steht vom Stuhle auf. Was?

ALTE HAMMER. Er is noch gar nit da.

FRAU XANDL. Noch gar nit da? Na, das is schön – und das lassen Sie dem jungen Menschen nur so hingehen, daß er die Nächte durch, Gott weiß, mit welchenen Personen herumschwärmt.[285]

ALTE HAMMER. Mei' liebe Frau Xandl, mich, als Mutter, braucht niemand zu erinnern, was ich z' thun hab', am wenigsten kommt das gewissen Leuten zu, die den Bub'n selber auf den g'fährlich'n Weg 'bracht hab'n. Ich hab' mein' Sohn nie nachts wo in ein Kaffeehaus h'neingezogen.

FRAU XANDL. O, bitte, mei' liebe Frau Hammer, Sie red'n da nur Ihr'm Herrn Sohn übel, wann Sie glauben, daß sich der irgendwo hineinziehen ließ', er is kein Bub' mehr, sondern ein Mann, und ein' solchen stehen alle Kaffee- und Wirtshäuser offen, und in seinen Jahr'n laßt sich auch keiner den Besuch verbieten, der nit ausg'lacht werden will, daß er der Frau Mutter allweil auf der Kittelfalten sitzt.

ALTE HAMMER. Dann begreif' ich nur nit, nlei' liebe Frau Xandl, was S' gegen mich aufbegehr'n; wann ich 'n eh' nit z' Haus halten soll und warum S' Ihnen d'ereifern, weil er vom Haus bleibt! Müßt' nur sein, Sie wüßten ihm, weil er nit auf der mein' sitzen soll, a andere Kittelfalten.

FRAU XANDL. Jesses, bitt' Ihnen gar schön, der Stich gibt a kan Blut! – Mit der Zeit entwachsen doch alle, was Söhn' sein, ihnerer Frau Mama und es muß sie dann etwas ganz anderes ans Haus fesseln, meine liebe Madam' Hammer; – und was a vernünftige Mutter is, die bereit't sich auch darauf vor, und lieber wie so a blinde Leidenschaftlichkeit für a wildfremd's G'schöpf mag ihr doch die Achtung für a ältere Bikenntschaft sein, von der s' voraus weiß, was zu erwarten steht.

ALTE HAMMER. Der Achtung, meine liebe Frau Xandl, leg' ich auch gar n in' Weg und daß sich mein Thomas an alle schuldige erinnert, dazu is seine Bekanntschaft mit Ihnen alt g'nug,[286] denn Sie war'n damals schon a ziemlich erwachsenes Madel, wie S' uns'n aus G'fälligkeit öfters in d'Taferlklass' begleit' hab'n.

FRAU XANDL. Na mein, Frauenzimmer entwickeln sich halt viel zeitlicher als wie die Mannsbilder, das gleicht sich wieder aus.

ALTE HAMMER. Na, er is im Wachstum auch nit z'ruck'blieb'n, aber an Ihnern Hochzeitstag is er doch noch unter dö krebsroten Kirchenbub'n mit 'm Absammeltatzerl bei der Sakristeithür g'standen.

FRAU XANDL würgend. Mei' liebe Madam' Hammer, – Sö hab'n ja heunt ein' recht guten Hamur – ich will Ihnen den nit verderben – obwohl ich nur z' reden brauchet.

ALTE HAMMER. O, ich bitt', schenier'n S' Ihnen nit.

FRAU XANDL. I, für mein' Person, ließ' mir auch gar nit viel zu reden, aber es betrifft a Geheimnis und nit a meinig's allein.

ALTE HAMMER. A Geheimnis – zwischen Ihnen – und mein' Sohn, Thomas?

FRAU XANDL g'schnappig. Kann schon sein.

ALTE HAMMER. Na, da werd' ich aber doch bitten, daß ich auch was davon erfahr'?

FRAU XANDL wie oben. Von mir kein' Silb'n. Beiseite. So, jetzt hat d'Katz' auch ihr Schellerl![287]

ALTE HAMMER. Wissen S', Frau Xandl, dann lassen S' Ihnen sag'n, das is kein' Art, mit einer Frau in mein' Jahr'n umzugehn, verstehn S', denn ...


Quelle:
Ludwig Anzengruber: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 10, Stuttgart 31898, S. 280-288.
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