Erster Auftritt.

[3] Der Marktplatz. Auf der einen Seite stehen drei einsame Pferdeverleiher in der Sonne, auf der andern die beiden Gevaterbuden mit Blumen und Früchten reichlich angefüllt; die Gevatterin zählt Kirschen in Papiertüten. Pamphilio, Dienemann, Suppius, Mayer, Becker, ein Waisenhäuser, ein Kümmeltürke, ein Magister liegen nachlässig auf dem Sopha und auf den Stühlen vor der einen Bude umher und essen so wenig, als sie sprechen. Im Hintergrunde des Theaters erscheint das alte akademische Gebäude, der Thorweg ist geöffnet, es werden von einem Buchhändler Dissertationen und Bildnisse berühmter gelehrten ausgehangen. Ahasverus, ein Reisebündel auf dem Rücken, geht langsam ernst vorüber.


AHASVERUS leise vor sich. Sei mir gegrüßt, du Stadt des Segens und des Fluches die alles mir geraubt und alles mir bewahrt. – ich will doch näher schleichen dem Studentenhaufen, Cardenio mag darunter sein. Zur Gevatterin. Was kostet wohl ein Schock von diesen Kirschen, liebe Frau?

GEVATTERIN. Zwei Groschen.

AHASVERUS. Ich hab nur einen Groschen, hat sie keine schlechteren?

GEVATTERIN. Die Judenkirschen sind dies Jahr nicht gut gerathen, Alterchen.[3]

SUPPIUS lacht. Den Juden muß ich foppen. Zu Ahasverus. Cur ita visum est plerisque biduum aut triduum commorari Halis Saxonum.

AHASVERUS. Qui illic locus est, unde non poterant avelli sicii Ulyssis, illic Sirenes.

SUPPIUS. Was Teufel, der Kerl weiß Latein. Hör Gevatterin, der Jude sagt, du wärst eine Sirene.

GEVATTERIN. Besser rene als unrene, Alterchen er thäte auch gut, sich einmal die Hände zu waschen, oder darf er das nicht? Daß er mir nur keine Kirschen anrührt.

DIENEMANN. Er sieht den Schmutz nicht, denn wie Veneroni sagt, Tschaskeduno sa, ke la tschetschita dei Tschiudäi e Schismatitschi.

AHASVERUS. Blind men must not judge of colours. Meine lieben Herren gehen Sie nur eine Woche so wie ich in der Sonne, Sie werden auch keine weiße Hände behalten. Beso las manos. Ab.

MEYER. Mein Seel, der Jude könnte einem dienen, wie ein Wörterbuch für vier Sprachen.

WAISENHÄUSER. Ich glaube, dies ist der ew'ge Jude, der überall gewesen, alle Sprachen reden soll und immer zittert, so ist er überall beschrieben.

DIENEMANN. Mir kam es vor, als hätt' er in den Augen, in der Stirn so etwas von Cardenio.

MEYER und alle lachen. Du findest überall doch Ähnlichkeiten, weil du in der Mitte stehst mit deinem[4] Angesichte zwischen dem Apollo und dem Frosche; viel eher gleicht der Alte einem Ziegenbocke mit seinem weißen Barte, mit der krummen Nase.

DIENEMANN. Halt still, was schlägt's da? Wahrhaftig schon eilf Uhr und Schlinger ist noch nicht zurück von Reideburg, der Wagner heut zerbeißet und zerstampft sich noch vor Ungeduld. Zur Schlägerei war immer Zeit bis morgen. Gewiß hat ihm Cardenio die Schlenkerprime übers Maul gezogen, daß er nicht reden kann. Verfluchter Streich, warum gab denn Cardenio ihm gestern Abend die Ohrfeige?

PAMPHILIO. Warum? Weil Schlinger ein Ohrfeigengesicht nun einmal hat, frag Gott darum, er hätt sich lang dem Teufel übergeben, wenn ihm ein Teufel dienen wollte, jetzt dienet er dem Wagner; damit ihn der aus Gnade und Barmherzigkeit zum Teufel schickt.

SUPPIUS. Was soll das heißen, ich bin auch ein Schüler Wagners.

DIENEMANN. Jetzt geh, ich bin für deine schlechte Späße heut zu ungeduldig, mach daß du fortkömmst, Schwätzer.

PAMPHILIO. Langweilt euch nun allein, ich hab mich lang genug mit euch langweilt. Ab.

MEYER. Was meint ihr, wollen wir den Lümmel koramiren?

DIENEMANN. Wär nicht Cardenio sein Freund, es juckte mir die Hand, es ist ihm nicht geschenkt.


Quelle:
Achim von Arnim: Sämmtliche Werke. Band 16, Berlin 1846, S. 3-5.
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