Achtzehnter Auftritt.

[67] Großer Kommerschsaal auf dem Keller. Die Musik auf einer Gallerie, von Tabakswolken verhüllt, viele Studenten an Tischen, die Chorführer mit gezogenen Hiebern, Halloren schleichen an den Tischen umher.


PRÄSES DER STUDENTEN.

Alles schweige,

Jeder neige

Ernsten Tönen nun sein Ohr,

Hört ich sing das Lied der Lieder,

Hört es meine deutschen Brüder,

Hall es wieder frohes Chor.

ALLE.

Hört, er singt das Lied der Lieder,

Hört es wackre deutsche Brüder,

Hall es nieder frohes Chor!

CARDENIO tritt verstört ein. Schlafen mag ich nicht und Alleinsein ist mir schrecklich, was ich von den Wachenden höre, ärgert mich. Guten Abend.

VIELE. Guten Abend, Cardenio, woher so spät? Du mußt hier präsidiren.

CARDENIO. Recht so, das will ich auch, Wein her!

VIELE. Nun wirds erst lustig und recht wild hergehn, wir wählen einen Papst.

CARDENIO trinkt. Still!

Mein Halle lebe wohl,

Der Abschiedstag ist da,[68]

Ich glaube, ich bin toll,

Ihr seid der Tollheit nah,

Gefährten meiner Freuden,

Die Thräne fließt für Euch,

Ich soll nun von mir scheiden,

Kein Schmerz ist diesem gleich.


Er weint und läuft fort.


BECKER. Ich glaube wirklich, der ist toll geworden, der Schmerz über die unselige Promotion wirkt nach, die Haare stehen mir vor ihm zu Berge und der Wein gerinnt.

SUPPIUS. Er ist doch sonst kein sentimentaler Hund, aber er sah so wehmüthig aus, als hätte er an Meerrettig gerochen.

DIENEMANN. Ich werde euch gleich Nachricht bringen, was ihm fehlt.

WAISENHÄUSER. Ich hab ihn lauge beobachtet, er war immer sehr überspannt, das endet immer so in Melancholie.

VIELE. Wein her!

EINER. Das Gähnen ist mir näher.

BECKER. Es ist mir grade, als hatte ich ein Haar darin gefunden. Der ganze Spaß ist uns verdorben, als wär ein Geist erschienen unter uns. Es war wohl nur sein Geist, er ist vielleicht erstochen worden.

SUPPIUS. Hol dich der Teufel!

VIELE. Wo ist ein Geist?[69]

SUPPIUS. Einen Geist muß ich sehen, heraus ihr Geister aus allen Grüften, zeigt euch, denn ich rufe, es giebt keine.

AHASVERUS tritt langsam ein, vor sich. Ich muß doch zusehn, ob Cardenio hier nicht zu finden, ich fürcht, ein Unglück ist ihm geschehen.

SUPPIUS. Ha der Geist. Läuft fort.

VIELE. Der Geist, es schlägt zwölfe, fort, Platz! Alle in unordentlicher Flucht zur andern Thür hinaus.

AHASVERUS. Tags zum Spotte, Nachts zum Schrecken, geh ich durch die weite Welt.


Ende des ersten Aufzuges.


Quelle:
Achim von Arnim: Sämmtliche Werke. Band 16, Berlin 1846, S. 67-70.
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