74. Unterirdische fahren über.

[57] Mein Großvater, welcher im hohen Alter verstorben, erzählte mir folgende Begebenheit, die vor vielen Jahren dem damaligen Fährmann auf dem Dom zu Ratzeburg passirt sei. Einmal steht Einer gegen Mitternacht auf der Bäck und ruft ›Hol über!‹ das Signal zur Ueberfahrt. Nach mehrmaligem Rufen schifft der Fährmann hinüber und trifft da einen Mann an, der ihn für ein gutes Stück Geld hinüber zu schaffen bittet. Er steigt darauf ein. Wie sie nun in die Mitte des Sees kommen, füllt sich das Boot mit Roßäpfeln und droht zu sinken. In seiner Angst ergreift der Fährmann die im Boote befindliche Schaufel und wirft damit den Unrath über Bord, was ihm auch gelingt, und so kommen sie glücklich ans Ufer. Als der Fährmann am anderen Morgen zu seinem Boote kommt, sieht er die darin befindlichen Ueberreste der letzten Nacht in Gold verwandelt, und wird sich nicht wenig geärgert haben, unwissend eine solche Menge davon in die Tiefe des Sees vergraben zu haben.


J.F.L. Bohn in Demern bei Niederh. 3, 86 f.; vgl. Müllenhoff S. 317.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 57-58.
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