1.

[185] In der Gegend von Lage mußten zwei Arbeiter eines Nebengutes immer zum Hauptgute dreschen gehen. Dabei führte ihr Weg sie über einen Bach, über den ein schmaler Steg ging. Der Eine von ihnen hatte die Gabe, Gespenster zu sehen; diesem wehrte täglich ein Gespenst den Uebergang; während sein Gefährte unangefochten über den Steg ging, mußte er immer durchs Wasser. Alle lachten ihn aus, weil er im Sommer, wenn Andere leichte Schuhe trugen, immer Stiefel tragen mußte. Doch er sagte nichts. Nun hatte er von seinem Vater gehört, man könne Gespenster mit einer Gaffel von Kreuzdorn verjagen. Er machte sich also eine. Als er zu dem Stege kam, ging er dreist auf das Gespenst los und rief ›Ga, odder ik gęw di eenen!‹ Da antwortete das Gespenst ›Gif mi eenen!‹ ›Da hest du eenen,‹ sagte der Bauer. ›Gif mi den Tweten,‹ sagte das Gespenst. ›Da hest du eenen,‹ sagte er und schlug wieder und so ging es fort. Hätte er mit dem Gespenste die Schläge gezählt, so hätte es Macht über ihn gehabt. So aber bat ihn das Gespenst zuletzt, abzulassen und verschwand, ist auch seit der Zeit nicht wieder gekommen.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 185.
Lizenz:
Kategorien: