794.

[167] Der Storch wird allgemein Adebar, Arebar, Arebare und in der Gegend von Dömitz Aettebär genannt. Das Wort ist sehr verschieden erklärt; am nächsten scheint zu liegen die erste Sylbe auf den Stamm ôd, in dem allgemeinen Sinn von Glück (felicitas),[167] zurückzuführen. Odebar oder adebar ist also wörtlich Glücksbringer, welches genau dem Heylebart entspricht, einem andern mittelhochdeutschen, noch jetzt in Lüneburg, Braunschweig und Hessen gebräuchlichen Namen desselben Vogels. In der Prignitz und einem kleinen Theile von Meklenburg heißt er Hainotte oder Hannotter, was ich nicht zu erklären weiß. Seine Verwandtschaft mit Thor ist aus vielen Zügen völlig klar. Sein Erscheinen ist im Allgemeinen Heil und Glück bringend, was nach dem Obigen schon sein Name sagt; man beobachtet aber, ob man den ersten Storch des Jahres fliegend, oder auf einem Neste sitzend gesehen hat; ersteres bedeutet zunehmenden Wohlstand, letzteres Eheglück. Vor Allem aber bringt er dem Hause, worauf er nistet, seinen Segen und schützt es namentlich gegen Feuer, besonders gegen den Blitz; sollte dasselbe aber dennoch vom Feuer bedroht wer den, so bringt der vorahnende Vogel seine Brut Tags zuvor in Sicherheit, weshalb schon Attila aus dem Abziehen der Störche von dem belagerten Ravenna auf den Untergang der Stadt schloß. Um ihn zum Nisten auf einem Hause zu bewegen, baut man ihm in einigen Gegenden ein Nest auf dem Feuerherde. Das wichtigste Geschäft des Storches aber, welches unzweideutig auf Thor, den Gott der Liebe und der Ehe, hinweist, ist bekanntlich nach allgemein verbreiteter Kindersage die Zutragung der Kinder, die er nach der gewöhnlichsten Vorstellung aus dem Sumpfe holt (Kindersoll), weshalb unsere Kinder noch fleißig singen: ›Adebare Nester etc.‹ Auch werden nach dem Storche verschiedene Pflanzen genannt.


Beyer in den Mekl. Jahrb. 20, 179 f. Vgl. Schiller I, 3.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 2, Wien 1879/80, S. 167-168.
Lizenz:
Kategorien: