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[172] Nächst dem Storche ist die Schwalbe der am meisten geehrte Frühlingsvogel. In ihrem Zwitschern bei ihrer Ankunft hört das Volk die Klage: ›as ik hir vörrig Jahr was, dunn wüss hir Lof un Gras, dit Jahr is hir nix – nix – nix!‹ Nach Grimm wird sie des lieben Herrgotts Vogel genannt. Ueberall gilt sie für heilig und unverletzlich; wenn man eine Schwalbe tödtet, soll es vier Wochen regnen; ihr Nest bringt gleich dem Storchenneste Glück. An der Stelle, wo man im Frühling die erste Schwalbe sieht, soll man unter seinem Fuße eine Kohle finden, welche gegen das Fieber[172] schützt; wenn dagegen eine Schwalbe unter der Kuh hindurchfliegt, gibt diese rothe Milch (Blut), was nach dem Aberglauben anderer Länder die Strafe der Zerstörung eines Schwalben- oder Rothkehlchennestes ist, wogegen wieder Andere glauben, daß in dem letzteren Falle der Blitz das Haus des Frevlers treffen werde. Die Seeschwalbe heißt auch Brandvogel. Wie der Bock und der Storch hat auch die Schwalbe wunderbare Heilkraft, namentlich das Herz und das Blut des Thieres, womit man die schwere Noth, Entzündung, Geschwüre und das böse Gesicht heilte, das Fieber und Melancholie vertrieb und das Gedächtniß stärkte. Ein angeblich im Magen der jungen Schwalbe gefundener Stein ward von Kindern und Erwachsenen als Amulett getragen zum Schutze gegen eben diese Uebel, und weil er den Trägern die Liebe der Menschen erwarb.


Beyer in den Jahrb. 20, 181.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 2, Wien 1879/80, S. 172-173.
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