1189[229] d.

Sollen die Obstbäume reiche Früchte tragen, so müssen sie mit Wurststroh, das ist Stroh, auf dem die Wurst nach dem Kochen gelegen hat, umbunden werden. Am besten ist es, wenn dies in den Zwölften geschieht.


Seminarist Stübe.

Ein sehr tiefsinniger, auf feinster Naturverehrung beruhender Brauch, von dem ich gern wüßte, ob er sich noch irgend wo erhielt, war der, in der Christnacht nasse Strohbänder um die Obstbäume zu binden, damit sie fruchtbar würden. Von Thüringischen Bauern ist um das Jahr 1700 beobachtet worden, daß sie die Bäume mit Strohbändern zusammengebunden haben, vorgebend, daß sie dadurch copulirt würden. Uralt ist diese Sitte und Zeugniß ahnungsvoller Naturverehrung, die in der Pflanzenwelt und im Thierleben eine tiefe Verwandtschaft mit dem Menschenleben erblickt. Jacob Grimm spricht ausführlich (Kl. Schriften II, 373 ff.) von dieser in hohes Alterthum zurücktretenden Vorstellung von wirklicher Ehe und Heirat, die zwischen einzelnen Pflanzen, ja zwischen Pflanzen, Thieren und selbst Steinen geglaubt, begangen und gefeiert ward. Noch heute vermählt der Hindu, der einen Mangohain anlegt, einen der Stämme mit einer Tamarinde in der Nähe in feierlichster Weise. (Sandvoß in der Friedländischen Zeitung vom 18. Februar 1868.)

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 2, Wien 1879/80, S. 229.
Lizenz:
Kategorien: