Das Ideal.

[16] Nie wird die Zierlichkeit der Schönen aus Vignetten,

Verdorbne Kinder, die ein krank Jahrhundert trug,

Die Füße, die verschnürt, die Hand mit Kastagnetten

Befriedigen ein Herz wie meins mit ihrem Lug.


Gavarni, der Poet der Blässe, feire seine

Gezierten, flüsternden Geschöpfe vom Spital,

Doch ist in dieser Schar von bleichen Rosen keine,

Die je erreichen mag mein rotes Ideal.


Was meinem Herzen ich, dem abgrundtiefen, wähle,

Bist Lady Macbeth du, im Mord gewaltge Seele,

Ein Traum des Aeschylos, entsprossen frostgem Grund;


Du, Michelangelos erhabne Nacht, die schweigend

Seltsam gewendet liegt, in herber Ruhe zeigend

Die Reize, die geformt für der Titanen Mund.

Quelle:
Baudelaire, Charles: Blumen des Bösen. Leipzig 1907, S. 16-17.
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Die Blumen des Bösen (Auswahl)
Die Blumen des Bösen
Les Fleurs du Mal /Die Blumen des Bösen: Franz. /Dt
Die Blumen des Bösen: Französisch/Deutsch
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