Die Riesin.

[17] Zur Zeit, als die Natur, von wilder Kraft durchdrungen,

Gewaltge Kinder trug, hätt ich nach meinem Sinn

Bei einer Riesin gern gelebt, bei einer jungen,

Wie eine Katze streicht um eine Königin.


Wie Leib und Seele ihr bei grimmem Spiel erblühten

Und wuchsen, hätt ich gern erschaut von Anbeginn,

Erspäht, wie in der Brust ihr finstre Flammen glühten

Und Nebel traumhaft zog durch ihre Augen hin.


Mit Muße hätte ich erforscht die prächtgen Glieder,

Gestiegen wäre ich die stolzen Kniee nieder,

Und oft im Sommer, wann der Sonnen kranker Strahl


Sie müde hingestreckt quer durch die weiten Wiesen,

Hätt ich geschlummert in der Brüste Schattental,

Gleich wie ein friedlich Dorf am Fuß von Bergesriesen.

Quelle:
Baudelaire, Charles: Blumen des Bösen. Leipzig 1907, S. 17-18.
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Die Blumen des Bösen (Auswahl)
Die Blumen des Bösen
Les Fleurs du Mal /Die Blumen des Bösen: Franz. /Dt
Die Blumen des Bösen: Französisch/Deutsch
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