Vierte Szene.

[308] Vorige. Sittig.


ERNESTINE. Da kommt der Herr Kommissär –

KATHARINE. Den spickt uns der Himmel!

BARON für sich. Sehr ungelegen!

KATHARINE. Herr Kommissär –

SITTIG. Sieh da! Meine Gnädige –[308]

KATHARINE. Darf ich Ihre Güte in Anspruch nehmen? Ich bin in großer Verlegenheit –

SITTIG. Befehlen Sie über mich.

KATHARINE. Es liegt mir daran, heute noch abzureisen, jetzt, in dieser Stunde –

SITTIG. Euer Gnaden kommen doch wieder?

KATHARINE. Schwerlich.

SITTIG. Wie? Sie sind kaum ein paar Tage hier? Welch ein Verlust für uns! Alles ist entzückt von Ihrer Gesellschaft –

BARON für sich. Ei, ei, Herr Bräutigam!

KATHARINE. Sie sind sehr gütig. Aber können Sie mir Pferde verschaffen?

SITTIG. Sehr ungern trag' ich bei, Sie von hier zu entfernen, aber da es Ihr Wunsch ist, erfüll' ich ihn mit Vergnügen.

KATHARINE. Es gibt also Pferde hier?

SITTIG. So viel Sie befehlen.

KATHARINE zu Unruh. Seht Ihr nun? Zu Sittig. Wann kann ich sie haben?

SITTIG. Jeden Augenblick.

KATHARINE. In einer halben Stunde denn –

SITTIG. Werden Sie vor Ihrem Hause stehen.

KATHARINE. Sie verbinden mich unendlich!

BARON versteckt. Der verdirbt uns den ganzen Spaß –

SITTIG. Diese eilige Abreise –

KATHARINE. Wichtige Gründe – ich kann mich nicht näher erklären. Nun wollen wir sogleich Anstalt treffen, Ernestine.

UNRUH. Soll ich helfen, oder soll ich indessen den Paß besorgen?

KATHARINE. Den Paß?

ERNESTINE. Himmel! Wir haben gar keinen mitgenommen.

UNRUH mit einem Blick auf Sittig. Keinen Paß?

KATHARINE. Wozu brauchen wir Pässe? Wir kommen aus der Residenz, die nur zwei Tagereisen von hier entfernt ist.

SITTIG. Von Damen kann man keine Gesetzkenntnis verlangen; aber ich muß die Ehre haben, Euer Gnaden zu versichern, daß wir hier im Paßwesen etwas strengere Vorschriften haben, wegen der nahen Grenze. Es war eigentlich meine Pflicht, Euer Gnaden am zweiten Tage um Ihre Legitimation zu befragen, und ich wollte mir nächstens die Freiheit nehmen, Sie deshalb zu besuchen.

KATHARINE. Was ist zu tun? Ich habe keine Papiere mitgenommen.

SITTIG. Das tut nichts. Irgend ein Bekannter, in der Residenz ansässiger Mann wird für Sie gut stehen. Es ist nur der Formalität wegen. Dann geb' ich Ihnen die Entlaßkarte, ohne welche Sie unmöglich die Schranken passieren können.[309]

ERNESTINE. Mein Gott! Wer soll für uns gut stehen?

KATHARINE. Sei ruhig! – Herr Kommissär, meine Bekannten sind neu, aus der Residenz ist niemand hier, der meine Verhältnisse kennt –

UNRUH. Kein Paß und kein Bürge! Das ist sehr fatal.

SITTIG. Das ist allerdings – etwas fatal – Fixiert sie. besonders, da Sie so plötzlich abreisen wollen.

ERNESTINE. Sehen Sie, Fräulein – gnädige Frau – in welche Verlegenheit uns ihre Unvorsichtigkeit stürzt.

KATHARINE. Laß dein Geschwätz! – Herr Kommissär, ich bin aus gutem Hause, die Tochter des Generals –

SITTIG etwas kalt. Ich zweifle gar nicht, aber – Zuckt die Achseln.

UNRUH. Wenn nur der Paß da wäre!

BARON versteckt. Himmlischer Unruh! Ich lasse dich vergolden.


Quelle:
Eduard von Bauernfeld: Ausgewählte Werke in vier Bänden. Band 1, Leipzig [o.J.], S. 308-310.
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