Erste Szene.

[326] Zimmer beim Präsidenten. Gestelle mit Blumen.

Präsident von Stein. Baron Ringelstern. Unruh. Letzterer mit Blumentöpfen.


PRÄSIDENT. Stell Er die Blumen nur hieher. Hol Er Wasser.

UNRUH. Sogleich, Exzellenz. Ab.

PRÄSIDENT. Es freut mich, lieber Neffe, Sie wohl zu finden. Mit Vergnügen vernehme ich, daß Ihre Güter fast schuldenfrei sind.

BARON. Es hat mich zehnjährige Arbeit gekostet und Entbehrungen mancher Art. Meine Bauern lebten im Grunde besser als ich. Aber nun sind alle Gläubiger meines Vaters befriedigt, und ich lebe auf meinem alten, ausgebesserten Schlosse, in meinen Wäldern und Gauen, wie ein König, und verlache die Torheiten der Welt.

PRÄSIDENT. Brav! Brav! Glauben Sie mir, das ist das Beste. Der Staatsdienst hat am Ende, wenn man es noch so hoch bringt – – Unruh kommt zurück mit Wasser, und will gießen.

PRÄSIDENT. Halt, mein Freund, das tu ich selbst. Nimmt die Gießkanne. Zum Baron. Meine alte Liebhaberei, lieber Neffe: die Blumen. Ich bin ein anderer Mensch, wenn ich hier auf dem Lande wohne. Da kenn' ich nichts als Berge und Blumen. Gleich gestern abends hab' ich einen tüchtigen Berg bestiegen und wacker botanisiert.

BARON. Sie dürfen sich diese Erholung gönnen, Herr Onkel. Ein Mann, wie Sie, der durch elf Monate an den Aktentisch angeschmiedet ist –

PRÄSIDENT. Jawohl, angeschmiedet! Nun, ich arbeite gern. Aber hier mag ich nicht daran denken. Zu Unruh. Mehr Wasser!


Unruh ab.


PRÄSIDENT. Sehen Sie nur diese Ranunkeln, diese Levkojen! Welche Frische! Welche Farben! Welcher Duft!

BARON. Kostbar!

PRÄSIDENT. Die Natur ist doch das Schönste! Nimmt Unruh, der zurückkam, die Gießkanne ab. Nur her, mein Freund! Nun ist's genug. Unruh ab.


Quelle:
Eduard von Bauernfeld: Ausgewählte Werke in vier Bänden. Band 1, Leipzig [o.J.], S. 326.
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