Erster Auftritt

[311] Herr Welting geht auf und ab. Freiherr von Wildenhain kommt aus der Seitenthüre, dem Schauspieler links.


WELTING dem Eintretenden entgegen. Baron Wildenhain! Meine Gedanken waren eben mit Ihnen beschäftigt.

WILDENHAIN. Ich bin ein schlechtes Geschäft für Sie, Welting: ich trage keine Zinsen.

WELTING. Wer weiß! Sie sollen welche tragen.

WILDENHAIN. Vor der Hand muß ich sie leider bezahlen. – Wo ist unsere schöne Hausfrau?

WELTING. Bei den Zurüstungen zu dem großen Ball, der heute – – Nun, lieber Baron, erinnern Sie sich an unser letztes Gespräch?

WILDENHAIN wirft sich nachlässig auf ein Sopha. So wenig als an meine letzte Liebschaft.

WELTING lehnt sich zu ihm. Ich erzählte Ihnen von einer großen Spekulation –

WILDENHAIN. Das ist gewöhnlich der Inhalt Ihrer Novellen.

WELTING. Von einer Aktien-Unternehmung –

WILDENHAIN. Um den Leuten das Geld aus der Tasche zu locken.

WELTING. Geschäft ist Geschäft, Spiel ist Spiel –

WILDENHAIN. Das heißt: Euer Geschäft ist ein Spiel, und das Spiel ist Euer Geschäft. – Der Ball soll hübsch werden?

WELTING. Glänzend. – Meine Unternehmung ist untrüglich. Die ersten Aktionäre müssen gewinnen.

WILDENHAIN. Ich zweifle gar nicht. Die ersten Aktionäre! Das sind die, welche die Aktien zuerst losschlagen. Man spielt sie den Schustern, Schneidern, Wirthen und Kesselflickern in die Hand: die mögen zusehen, wie sie zu ihren Dividenden kommen.

WELTING. Sie scherzen! Wie gesagt: das Geschäft ist lohnend; angesehene Kapitalien werden dazu angeboten, es fehlt nur noch Jemand, der – – darf ich offen sprechen, Baron? Sie sind ein Bischen derangirt: wollen Sie mit Einem kühnen Schritt aus Ihrer üblen Lage heraustreten?

WILDENHAIN. Von Herzen gern. Aber wie?

WELTING. Durch Thätigkeit. Stellen Sie sich an die Spitze unserer Unternehmung.

WILDENHAIN steht auf. Wie, Herr Welting –?

WELTING. Ihr großer Name, Ihre Verbindungen genügen, der Sache den nöthigen Glanz zu verleihen – für's Uebrige lassen Sie mich sorgen. Was sagen Sie dazu?

WILDENHAIN. Ich sage: nein.

WELTING. Und Ihre Gründe?[311]

WILDENHAIN. Gründe? Ich heiße Karl Isidor Freiherr von Wildenhain.

WELTING. Sie wären nicht der erste Kavalier, der spekulirt. Und ist's etwa ehrenvoller, Schulden zu haben?

WILDENHAIN. Besser, als sie durch Wucher zu bezahlen.

WELTING. Ich verzeihe Ihnen dieses unartige Wort, weil Sie vom Geschäft nichts verstehen. Aber noch einmal –

WILDENHAIN. Nichts weiter! Ihr Antrag wäre beleidigend, wenn er von jemand Anderem käme. Ich verstehe nichts von dem, was Sie Geschäft nennen, will nichts davon verstehen. War ich leichtsinnig, so mag ich dafür büßen; hab' ich Schulden, so werd' ich sie bezahlen, und bliebe mir nichts übrig, als die kahle Mauer meiner Ahnenburg.

WELTING. Vergeben Sie – aber auch die gehört Ihren Gläubigern.

WILDENHAIN. So gehört mir wenigstens meine Gesinnung – und mein Name.

WELTING. Wenn die Leute eigensinnig sind, das nennen sie Gesinnung. Aber wer sich nicht rathen läßt, dem ist nicht zu helfen.


Quelle:
Dichtung aus Österreich. Anthologie in drei Bänden und einem Ergänzungsband, Band 1, Wien und München 1966, S. 311-312.
Lizenz:
Kategorien: