XXVII. Der Zaubersaal.

[110] Heil, ewges Heil dem Herrscher, der Kunst und Musen liebt;

Der, für das Gute glühend, zugleich auch Schönes übt!

Denn Gutes ist die Richtschnur, bestimmend Menschenwerth,

Doch Schönes ist der Lichtstrahl, der uns zum Gott verklärt.


Der Kaiser lohnet fürstlich den wunderbaren Mann,

Der solcher Dinge mächtig, wie Keiner je begann.

Oft schliesst er mit dem Magus sich in die Zimmer ein,

Oft geht mit Faust er huldvoll lustwandelnd durch den Hain. –


Einst als der gute Kaiser früh aus dem Schlaf erwacht,

Glaubt er sich noch umfangen von einem Traum der Nacht.

Die Wände seines Zimmers sind frisch mit Grün belaubt,

Ein golddurchwobner Lorbeer umrauscht sein Herrscherhaupt.


Und rings ist holder Maiglanz, rings bunte Blumenzier,

Der Boden Wiesenteppich, die Deck' ein Lustrevier,

Wo sich in hoher Wölbung der Bäume Laub verschlingt,

Darin manch lustges Vöglein die zarten Lieder singt.[110]


Und Früchte neigen schwellend sich in die Kaiserhand,

Aus Blätterfülle quellend rings um des Lagers Rand.

Es leuchten neben Blüthen Limonen goldhell, süss,

Der Feige weiche Saftfrucht mahnt an das Paradies.


Der Herrscher hebt verwundert sich von der Lagerstatt,

Er sieht sich an der Lustpracht, am Farbenschmelz nicht satt.

Wie sind die Blumen duftvoll, die hier so schnell erblüht!

Wie diese Trauben reif schon, da noch der Sommer glüht?


Und Nachtigallenbrautlied ertönt mit hellem Schlag,

Und doch ist längst vorüber des Jahres längster Tag!

Wenn diese Pracht kein Traum ist, die mich so hold umlacht,

So muss sie Zauberwerk sein, das Faust mir zugedacht.


Noch lange weilt der Kaiser, und sinnt, ob er nicht träumt;

Die Kämmerlinge wunderts, dass der Gebieter säumt.

Und fürchtend für sein Wohlsein aufthun die Thür sie sacht,

Da sie der Wunderprachtglanz mit Recht erstaunen macht.


Und fröhlich spricht der Kaiser: »Ruft mir den Hof herein!

Lasst Damen mir und Ritter des Zaubers Zeugen sein!

Auch ruft mir die Gesandtschaft, dass sie die Pracht erblickt,

Mit der ein trauter Freund uns die Wohnung ausgeschmückt!«


»Und ruft mir her den Meister, der freundlich uns erfreut,

Der auf den Lebensbecher uns Rosenblätter streut!

Denn Kunst ist eine Rose, gar herrlich ist ihr Blühn,

Stets lohne wackern Künstlern des Dankes Immergrün!«[111]


Und alle Ritter kamen herbei dem Herrscherruf,

Es schaun des Hofes Damen die Pracht, die Zauber schuf.

Da schritt der hohe Meister zum Blüthenraum heran,

Und neigte sich voll Ehrfurcht vor Maximilian.


Wie durch den neuen Lusthain die Gäste wandelnd gehn,

Da rauscht es durch das Buschwerk wie Frühlingsäuselwehn.

Und leichte Silberwölkchen ziehn an der Deck' im Saal,

Drauf dunkelt sich's, und lieblich glänzt Mond- und Sternenstrahl.


Dann wird das Schattendüster vom Morgenroth erhellt,

Ein sanfter Regen tränket die junge Blüthenwelt.

Die Sonne hehr im Goldglanz sich hinter Bäumen hebt,

Und überm Zauberlustwald ein Regenbogen schwebt.


Und wie noch die Versammlung mit stillem Staunen schaut,

Wird bleich der Wolken Lichtschein, des Himmels Glanz ergraut.

Die Sonne hüllet Nacht ein, und Blitze kreuzen hell,

Und jedem glühen Blitzstrahl folgt gleich der Donner schnell.


Und bald abträufelt schneekalt feinkörn'ger Hagel kraus;

Und Damen fliehn und Ritter zum Zaubersaal hinaus.

Bald Schlossen prasselnd schmettern auf die, die spät entfliehn,

Doch sicher sitzt der Kaiser, ihn schirmt ein Baldachin.


Und mit dem schönen Kunstwald, den All' mit Lust geschaut,

Tanzt jetzt gar lustgen Kehraus die rasche Windesbraut.

Und als vorbei das Wetter lacht, wieder Sonnenstrahl,

Doch ist hinweg der Zauber, und 's ist der alte Saal. –[112]


So wechselt Glückes Huldblick, so wechselt Hoher Gunst;

Manch hoffnunggrünes Luftschloss ist nur Phantom und Dunst.

Und dass Dich's nur nicht stolz macht, wenn solches Luftschloss Dein!

Doch magst Du seines Glanzes, so lang er währt, Dich fren'n![113]


Quelle:
Bechstein, Ludwig: Faustus. Ein Gedicht, Leipzig 1833, S. 110-114.
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