395. Vom Kloster Walkenried

[275] Es war eine junge Gräfin von Lohre, Alheidis, Herrn Ludwigs von Lohre Tochter, die tat geradeso wie jene Kunigunde von Kynast, sie ließ ihre Freier dreimal um die Burgmauer reiten, das brachte manchem den Tod, ihr aber nicht. Es fand sich einer, der das Abenteuer mannlich bestand, das war Herr Volkmar, Graf von Klettenberg, und als sie nun diesen geheiratet hatte, da bereute sie ihre Frevel und Sünden und ward eins mit ihm, ein Kloster zu gründen. Beide reiseten nach Köln am Rhein und nach Trier und besuchten die Gräber der heiligen Martyrer und nahmen aus dem Kloster Kampen siebenzehn Mönche mit auf ihr Gut Walkenried. Dort ward im Jahre 1127 ein herrliches Klosterstift nach der Ordensregel St. Benedikts begründet, dann aber in ein Zisterziensermönchskloster umgewandelt. Zweitausend Arbeiter hatten rastlos den Bau gefördert, doch soll er dreißig Jahre lang gedauert haben. Die Grafen von Herzberg und Lauterberg steuerten auch zum Klosterbau, sie ließen eine Million Steine anfahren. Gar eifrig erwies sich insbesondere die Gründerin Alheidis, sie opferte selbst ihren Schmuck dem Klosterbau und legte Segen und Fluch auf ihn, nämlich Fluch für den, welcher den Bau schädigen und das Kloster berauben würde. Der Fluch für solchen unfrommen Räuber lautete hautschauerig: Verflucht seien alle seine Werke! Verflucht sein Ausgang und sein Eingang! Verflucht sei sein Leben und verflucht sein Sterben! Sein Tod sei wie eines Hundes Tod! Wer ihn begräbt, der werde vertilgt! Verflucht sei die Erde, darin er jenen begräbt, und so der Räuber nicht Buße tut, so bleibe er bei dem Teufel und seinen Engeln in dem ewigen Feuer!

Wo so christlich gebetet wurde und nebenbei die allerhöchste verschwenderischeste Pracht zum Aufbau und Ausschmuck des Stifts verwendet wurde, daß man den von Kreuzgängen umgebenen Garten das Paradies nannte, da mußte der Teufel auch dabei sein. Selbiger hat sich im Kloster viel und mancherlei[275] zu schaffen gemacht, absonderlich aber seine Tücke im Bauernkriege gezeigt, wo er seine größte Lust und Freude daran gehabt, das überaus herrliche Gotteshaus und wundervolle Klostergebäude fast gänzlich aus purer Lust am Frevel zerstören zu sehen, so daß daraus Behausungen der Vögel und Füchse wurden. Die Bauern exerzierten damals mit Waffen gewaltiglich, und alle Welt sollte ihr lieber Bruder sein. Da war bei sotaner Walkenrieder Bauernwehr ein kecker Schafhirte aus Bartefelde, hieß Hans Arnold, der war Hauptmann und stolzierte prunkhaft mit Gückelhahnfedern auf dem Schlapphut vor den beiden Grafen von Lohre und Klettenberg her, die in die allerliebste Bauernbrüderschaft gezwungen waren. Drehete sich der Held auf einem Beine um, schwang seinen Spieß und rief: Siehst du, Bruder Ernst, wie ich Krieg führen und exerzieren kann? Was kannst du denn, hehehe? Graf Ernst von Klettenberg antwortete trocken: Bis zufrieden, Hänsel! Das Bier gäret wohl, es ist aber noch nicht im rechten Fasse, dahinein es kommen wird! – Das war ein böses Wort, das nahmen die Herren Bauern sehr übel und hätte dem Grafen fast Prügel getragen. Er hatte aber doch recht gehabt, denn als das Blättlein sich wendete, so kam schon das Bier in das rechte Faß zusamt der Hefe und ward der Spieß garstig umgedreht, nämlich manchem kecken Bäuerlein im Leibe.

Quelle:
Ludwig Bechstein: Deutsches Sagenbuch. Meersburg und Leipzig 1930, S. 275-276.
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