534. Die silberne Orgel

[368] Zu Saalfeld war ein Barfüßerkloster, das hatte eine große und schöne Kirche, die war dem heiligen Andreas geweiht, und später wurde in die Kirche die Münzstätte verlegt, daher heißt sie, obschon die Münze längst ein eigenes Gebäude erhielt, immer noch die Münzkirche. In dieser Kirche und im ganzen ehemaligen Kloster ist es nicht geheuer, Mönche wandeln, Kohlen flimmern, Schätze glühen aus der Tiefe herauf. – Im Klostergebäude ist das frühere Lyzeum, jetzige Realgymnasium. Einst kam ein Lehrer in der Nacht die Straße herauf und sah die Kirche hell erleuchtet. Er trat hinein und erblickte eine Tafel voll brennender Kerzen und funkelndes Tischgeräte, daran saßen der Fürst und sein Hofstaat in vollem Glanze. Bergleute gruben in den Boden ein und warfen heftig Schutt aus, der flog bis dicht vor des Lehrers Füße, und es fiel ihm etwas auf und in die Schuhe. Hoho! Nur nicht zu hastig! rief der Lehrer halblaut einem Knappen zu. Da tat es einen Schlag wie ein Donner, die mächtige Türe flog zu, die Kerzen verlöschten, und der Lehrer fand sich in tiefer grauenvoller Finsternis allein. Vor Angst zitternd sank er in die Knie, sprach ein Gebet, erhob sich dann und suchte einen Ausweg, den er auch durch das Sakristeipförtchen fand, wo er auf den Schulsaal gelangte. Am Morgen sieht er einen Glanz am Boden, der kommt von seinen Schuhen, aller Schutt und Staub, der in der Nacht auf und in sie hineingefallen, war zu klarem lichten Golde geworden.

Lange ging und noch immer geht die Sage, daß in der alten Münzkirche eine silberne Orgel tief vergraben sei. Das hätten die Mönche des Barfüßerklosters getan, als die Reformation sie aus Saalfeld vertrieb und sie mit ihrem Klosterschatz nach Erfurt flüchteten, die Orgel aber wohl nicht fortbringen konnten. Ein Saalfelder Herzog, Christian Ernst, wollte den Schatz heben, berief Bergknappen und Schätzebeschwörer und ließ in stiller Mitternachtstunde einschlagen. Bald kündete ein hohler metallener[368] Klang, daß schon ein Kasten erreicht sei, kein Laut ward rege, alles lauschte mit verhaltenem Atem, die Bergknappen arbeiteten schweigend fort, da schrie auf einmal eine Stimme: Es brennt! Zugleich sah man Flammen lodern, und mit einem dumpfen Klang sank der Schatz zur Tiefe. Es war aber das Feuer kein Spuk der Geister, sondern es brannte in der Tat im Sparrwerk des Kirchendachs, und die Spur davon ist am Gebälk noch zu sehen. Niemand wußte, wie das Feuer ausgekommen, und ungehoben blieb bis heute der Schatz und die silberne Orgel.

Quelle:
Ludwig Bechstein: Deutsches Sagenbuch. Meersburg und Leipzig 1930, S. 368-369.
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