575. Prechtenbier

[391] Ohnweit der Stadt Pößneck liegt Bodelwitz, und nicht weit von Bodelwitz liegt Döbritz, und nahezu bei Döbritz liegt ein dreieckiger Acker, den ackert zuzeiten die wilde Prechta. Ein Mädchen von Döbritz ward nach Bodelwitz geschickt, dort Bier zu holen, wie jene Knaben bei Schwarza, denen die Hullenpöpel das Bier aussoffen, hier aber zeigte die Prechta das gleiche Gelüsten.[391] Als das Mädchen mit gefüllter Gießkanne zurückkam, traf es, schon wieder dem Dorfe nahe, an dem dreieckigen Acker auf Prechta mit ihrem Ackerpfluge. Die fragte das Mädchen, wo es gewesen sei, und was es in der Kanne geholt habe. Drauf nahm sie die Gießkanne dem Mädchen aus den Händen und trank das Bier aus bis auf den Grund. Als sie das getan, so pißte Perchta in den Gießer, gab ihn zurück und sprach: Komm bald wieder! Einige Holzspäne wollte sie dem Mädchen noch zum Geschenke machen und stopfte, als das Geschenk verachtet wurde, sie der Davonlaufenden noch in die Schuhe. Sie wiesen sich in Döbritz, bei Lichte besehen, als sechs Goldstücke aus. Das mitgebrachte Bier schmeckte besser wie das Köstritzer und wollte gar kein Ende nehmen, bis dem Mädchen angst und bange darüber wurde. Als es ausgebeichtet hatte, wie es mit dem Gießer zugegangen, war die Kanne mit einem Male leer. Dieses Mädchen ist hernachmals immer glücklich gewesen, war auch treu und fleißig und keins von denen, wie sie vordessen zu Bodelwitz waren, auf welche der Spottreim im Lande umging:


Wißt ihr nich, wu Budels liegt?

Budels liegt im Grunne.

Sin a feine Mädlich drin,

Sin faul wie die Hunne.

Früh murgens, wann der Härte tutt,

Schrein se: Ach du lieber Gutt!

Mer han nuch nich gemulken. –


Quelle:
Ludwig Bechstein: Deutsches Sagenbuch. Meersburg und Leipzig 1930, S. 391-392.
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