745. Berggeister um Altenstein

[489] Unterm Schloß Altenstein liegt Glücksbrunn, ein vormaliger Hüttenort. Lebhafter Bergbau wurde vormals von den hier und in Steinbach zahlreich wohnenden Bergleuten betrieben, jetzt wird nur noch wenig Ausbeute gewonnen. In den Schachten und Stollen gab es auch Berggeister und manchen versetzten Hort. Venetianer sind gar häufig gekommen und haben viel hinweggetragen. Am Löge, oberhalb Steinbach, hat ein goldner Hirsch sich oftmals sehen lassen. Einst ging ein junger Bergknappe aus Steinbach nach seinem Schacht auf der Windleite. Wie er nahe zur Winde kam, sah er ein ganzes Heer kleiner Bergmännerchen an der Winde stehen, die waren gar tätig und eifrig mit Aufwinden und mit Gesteinpochen. Wie er nun mit offnem Munde näherschritt, ganz verwundert über die verwunderliche kleine Knappschaft, hui! da purzelten sie kopfüber allzumal in den Schacht, und es tat einen Kracher, als ob der ganze Schacht in sich zusammenbreche. Da grauste es dem jungen Bergmann mächtiglich, ging hin zum Schacht, schnallte sein Hinterleder ab und schmiß es samt dem Grubenlicht in die Teufe hinab und sagte: Mit euch fahre ich nicht an! Und ging hinüber in die Ruhl und wurde ein Messerschmied, und als er dies gute Gewerk gelernt hatte, kam er wieder nach Steinbach, tat sich allda als Messermacher nieder und brachte so das Handwerk dorthin als erster Meister.[489] Und da haben die Steinbacher es ihm nachgemacht und sind aus Bergleuten Messermacher geworden, und wohnen jetzt über anderthalbhundert Meister allda und kein einziger Bergmann mehr.

Einst arbeitete ein Häuer aus Glücksbrunn im Reginaschacht, da hörte er ein Rauschen und meinte, es fahre etwa ein Steiger an, und sahe eine Menschengestalt, anzuschauen wie ein Bergamtsoberer mit schwarzem Hut, grünem Oberkleid mit Manschetten, schwarzen Beinkleidern und Schuhen, weißen Strümpfen, in der Hand ein hellbrennend Grubenlicht, schönen Antlitzes und von glänzenden Augen, so groß, daß er am Ort, das über fünf Schuh hoch war, an den First anstieß. Der bestürzte Häuer schwieg und arbeitete angestrengt weiter immer rascher und heftiger. Da wandte sich die Gestalt gegen Morgen und fuhr in der Strecke von dannen. Hätte der furchtsame Häuer nur den Bergmannsgruß Glück auf! gesprochen, so hätte sich ihm ohne Zweifel der reiche Stollen des Glückes erschlossen und aufgetan. So aber sah er nie wieder diese Bergerscheinung. Andern erschien der Berggeist im Grubenkittel, Kniebügel an den Beinen, einen schwarzen Schiefhut auf dem Kopf, mit großen glänzenden Augen und auch einem Grubenlicht in der Hand, auf sie zukommend, auch diese wichen furchterfüllt dem Geiste aus und fuhren wieder aus dem Schachte. Des Geistes Grubenlicht erhellte fast die Hälfte des aufwärtsgehenden Schachtes.

Quelle:
Ludwig Bechstein: Deutsches Sagenbuch. Meersburg und Leipzig 1930, S. 489-490.
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