868. Teufelsmauer und Teufelsstraße

[565] Wenn dort vor dem Harz einige vereinzelt stehende zerklüftete Felswände Teufelsmauern heißen, so ist doch deren räumliche und Längenausdehnung nur gering, hier aber im Altmühlgebiet sind Teufelsmauer und Teufelsstraße von erstaunenswerter Ausdehnung und Länge. Sie beginnen schon bei Pförring an der Donau, ohnweit Regensburg, durchstreichen das ganze eichstättische Gebiet und die ansbachischen Ämter, aufwärts der Altmühl, ziehn über Berg und Tal, überspringen Bäche und Flüsse und enden erst bei der alten Reichsstadt Wimpfen im Neckartale; ihre ganze Länge wird auf dreißig Meilen angeschlagen, und es ist wohl außer Zweifel, daß die Teufelsmauer ein altes Römerbauwerk ist, dies zeigen die zahlreichen Fundstücke an Gewaffen und Münzen. Sie war ohnstreitig das, was die Deutschen eine Landwehre nannten, deren als tiefe Gräben noch viele in andern Ländergebieten vorkommen, die Römer ein Vallum, einen Wall, eine Schutzwehr, und wohl teilweise auch Heerstraße. Der Mauergrund geht fünf bis sechs Fuß tief in die Erde; heutzutage sind ihre Spuren nur noch wenig sichtbar; zwischen Ellingen und Pleinfeld erblickt man linker Hand an der Nürnberger Straße noch ein sechs Schuh hohes und ebenso breites Stück über der Erde. In Gunzenhausen durchstreicht die Teufelsmauer die Vorstadt, dort sind noch Spuren eines Römercastrums. Eine Strecke weit heißt dieses Werk auch die Pfahlhecke, vielleicht vom Worte Vallum gebildet, vielleicht auch nicht. Zwei Nachbardörfer, eines dicht an der Pfahlhecke, führen die Namen Pfahldorf und Pfahlspaint. Eine Stunde von Uffenheim liegt auch ein Dorf Pfahlheim mit einem wundertätigen St. Ottiliabild. Die Sage nennt diesen alten Mauerbau ein Werk des Teufels. Ein Bauer zu Gundelsheim, dessen Schlafkammer gerade über der Teufelsmauer stand, hat erzählt, daß er und seine Frau in tiefer Nacht vom Peitschenknall erweckt worden. Ein Reiter hoch zu Roß sprengte am Ehebett vorüber, schreckliches Getöse hinter ihm drein, über hundert Pferde, zahllose rollende Wägen, viel Volks und ein Stimmengewirr wie beim babylonischen Turmbau, alles wild vorüber – das wilde Gejaig, und mit Blitzesschnelle, daß den Leuten noch die Haare zu Berge standen, wenn sie nur daran dachten. Solch eine Schlafkammer wird sich keiner wünschen. Und dergleichen wissen die Umwohner der Teufelsmauer gar viel zu erzählen. In manchen Dörfern haben sie sich die alte Teufelsmär örtlich zurechtgelegt und zugeschnitzt, wie die Steine der Teufelsstraße bei Ried, in der Nähe von Dollenstein und Kunstein. Dort lebte eine Bäuerin als Teufelsbuhle und Bündnerin, wurde ihm aber treulos in der Sterbestunde, und obschon der Teufel ihrer Seele gewiß zu sein glaubte, so ging es doch wie bei Pape Döne: der Pfaffe überwand den Teufel und betete die Seele der alten Hexe in den Himmel hinein; damit noch nicht zufrieden, zwang er sogar den Teufel, vor ihm her bis Ried eine Straße zu pflastern, weil der Weg schmierig war wie dort die Straße[565] zu Bommel, die Doktor Faust von seinem Teufel Jost pflastern, aber auch hinter sich wieder aufreißen ließ. Hier aber ließ der Pfaffe die Straße nicht wieder aufreißen, und der Teufel hatte die ganze Geschichte so satt, daß er vor Ärger von dannen fuhr und die von ihm gebaute Straße in des Teufels Namen stehen ließ. Das nämliche wird auch erzählt von einem Stück Teufelsweg bei Ostendorf, da mußte der Teufel gar vor einem Reiter her in aller Hurtigkeit pflastern. Da hat er rechtschaffen geschwitzt. Als er's satt hatte, reckte er einen Stein, darüber stürzte das Pferd, und der Reiter brach den Hals. So machte er es auch bei der Pfahlhecke; er hatte, wie dort am Harz, auch mit dem lieben Herrgott Teilung beschlossen und wollte vor dem Hahnenkrähen ein Stück Land mit einer Mauer abgrenzen, hatte sich auch ein gätlich Stück deutschen Landes abgesteckt, man weiß nur nicht recht, ob er das nördliche oder das südliche Stück für sich haben wollte, wahrscheinlich aber das südliche, weil er da den Pfaffensack München mit in den Kauf bekommen – allein der Hahn krähete zu früh, und der Teufel zertrümmerte vor Ärger gleich selbst die ganze Mauer. Es geht auch die Sage, daß dieser Teufelsweg um die ganze Welt reiche und die Straße sei, die der ewige Jude laufen müsse, und alle sieben Jahre komme er wieder auf die nämliche Stelle.

Quelle:
Ludwig Bechstein: Deutsches Sagenbuch. Meersburg und Leipzig 1930, S. 565-566.
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